Als Kerem die Augen öffnete fiel ihm auch direkt auf dass das Heulen des peitschenden Windes von draußen nachgelassen hatte. Noch in seinen Unterkleidern stemmte er sich von der Matratze auf dem Boden hoch und rieb sich die Augen. Der Sturm schien vorrüber. Nach zwei langen Tagen in denen zumindest er und Tarotaro keinen Fuß vor das Zelt gesetzt hatten, schien das grobe Wetter endlich an ihnen vorbeigezogen zu sein. Der Dunmer blinzelte durch die dicke Zeltplane über sich. Der Schein der Sonne war mehr zu erahnen als tatsächlich zu sehen, danach war er noch nicht ganz vom Ende des Unwetters überzeugt. Aschestürme kamen nicht selten in Schüben. Vorsichtshalber band sich Kerem die Mund- und Nasenmaske um, die normalerweise die untere Hälfte des Visiers seines Netchlederhelms ausmachten. Sofern man bei diesem Rüstungsteil, typisch für Vvardenfell, überhaupt von einem Visier sprechen konnte. Eine Haube aus gekochtem Leder mit bizarren Auswüchsen die an Hörner erinnerten dabei aber lediglich dafür gedacht waren die Elfenohren der Aschländer vor dem Staub und Sand zu schützen - kein Vergleich, auch nicht mit der elaborierten Brille welche jeden Aschländer auch im dicksten Gestöber noch sehen ließ, zu einem massiven Gah-Julan oder geschlossenen Ebenerzhelm.
Nur einen Spalt weit zog Kerem die Plane auf, welche den Eingang des Zeltes verschloss. Mit einem Auge lugte er hinaus, damit rechnend, dass eine steife Briese doch noch Asche und Staub in das Zelt drückte wo er und der Argonier die letzten beiden Tage alles getan hatten um möglichst alle Ritzen und besonders den Eingang dicht und die Wüste draußen zu halten. Vor dem Zelt blickte er jetzt in die ersten Strahlen der gerade über den zackigen Südhängen des Roten Bergs aufsteigenden Sonne an einem strahlend blauen Himmel. Eine willkommene Abwechslung. Das Aschland wartete sonst eher mit einem grauen Himmel auf. Vor dem Zelt breitete sich eine aalglatte Fläche aus Sand, Staub, Asche und anderem feingeschliffenen Unrat aus. Die Nordsöldner hatten also genauso wenig wie sie einen Fuß vor das Zelt gesetzt. Zwischen den Zelten hatten es sich die Guar bequem gemacht. Sie hatten sich typischerweise einfach von dem Sturm einwehen lassen. Fünf kleine Hügel an deren Kamm die auf den Rücken der Tiere sitzenden Knochenplatten und die Oberseite der runden Köpfe mit den Nüstern herausschauten, sonst aber nicht weiter auffielen, waren zwischen den beiden Unterkünften entstanden.
Aber kaum hatte Kerem seinen Kopf aus dem Zelt gestreckt, erbebte einer der Hügel. Das leittier der Karavane, sein Guar, erhob sich schüttelnd. Das Ungetüm ließ es sich nicht nehmen seinen Reiter direkt zu begrüßen. Normalerweise hätte so eine Begrüßung mindestens ein bisschen Zunge erfordert, aber Kerem war etwas schneller und über der Schwelle des Zeltes hatte der Guat nichts verloren - normalerweise. Aber wenn der Dunmer schon nicht herauskommen wollte, musste der Guar eben anderweitig zeigen, dass er nur noch darauf wartete ihren Weg endlich fortsetzen zu können. Der große runde Kopf schob die Eingangsplane samt dem Dunmer rückwärts in das Zelt, gefolgt von dem niederfrequenten Knattern das man als von Guar wohlbekanntes, zufriedenes Schnurren bezeichnen konnte. Kerem war gerade im Begriff mit einem Schmunzeln die Schnautze seines Reittiers zu tätscheln, als er hinter sich die krächzende Stimme des Argoniers vernahm: "Hast du deinem Leittier imernoch nicht beigebracht dass es hier im Zelt erstens nichts zu suchen hat und zum anderen sich nicht aufführen soll wie ein Hund?"
"Nein, das ist ein bisschen wie mit dir, da versuche ich auch seit mindestens 15 Jahren vergeblich ein bisschen Humor abzuringen..."
"Andere hätten es schon nach drei Tagen bleiben lassen, aber ja, wenn ich so viel Lebenszeit zu vergeuden hätte wie ein Dunmer, würde ich wohl auch derartige Langzeitexperimente verfolgen."
Jetzt musste Kerem doch schmunzeln während der Argonier sich die Netchbeinschienen anschnallte und sich an ihm und dem Leittier vorbei nach draußen drückte. Der Argonier hatte keinen Humor, genau genommen hatte er überhaupt keinen Sinn dafür etwas abseits von blanken Fakten und eindeutigen Aussagen zu kommunizieren, wobei er aber kaum eine Gelegenheit ausließ irgendwo Sarkasmus, Hohn und Spott unterzubringen sofern er damit irgendwen, meistens Kerem, treffen konnte. Dem Dunmer wurde vor Jahren einmal von Surane auf einer Mission in Tel Vos eine hohe Begabung zum Schwätzer bescheinigt als er für eine einfache aber wichtige Auskunft über Stunden hinweg eine Telvanni belagerte nur um kurz darauf selbige Information derart zu verdrehen dass er und seine Komplizin Hals über Kopf aus der Stadt flüchten mussten. Nur wenige Tage später stand dann Tarotaro eines Morgens mit einem Empfehlungsschreiben von Neunzeh vor ihm. Kerem war damals direkt klar gewesen, dass er bei der Annahme seines neuen, zukünftigen Partners eigentlich keine echte Wahl hatte. Der wohl hauptsächliche Grund warum er damals nicht direkt seinen Hut nehmen musste war wohl der, dass der alte zuckersüchtige Krauskopf nur noch auf eine Gelegenheit wartete - mittlerweile seit Jahren - ihn irgendwo gewinnbringend als Aschländer einzusetzen. Ihnen war allen Klar, dass Kerem genauso Aschländer war wie Tarotaro eine ernsthafte Verbindung nach Schwarzmarsch pflegte, also im Grund kaum bis gar nicht. Seither verkehrten sie beide mit der Karavane zwischen Kuul und Vivec - seit über 20 Jahren. Meistens mit dem sagenhaften Dauerbrennerauftrag, interessante Informationen jeder Art aufzuschnappen. Kerem konnte sich unterm Strich aber kaum beschweren. Andere hatten es da deutlich stressiger und vor allem öfter wechselnde Aufgaben.
"Das Wetter ist stabil, wir sollten demnächst weiter." Sagte Tarotaro mit einem kurzen Blick in den Himmel. Der Argonier ließ diese Information mehr beiläufig fallen, aber Kerem wusste, dass der Argonier das Abflauen des Sturms schon seit mindestens einigen Stunden fühlen musste. "Sind unsere beiden Eismänner auch schon auf den Füßen?" Fragte Kerem mit der Gewissheit, dass egal welche Antwort der Sumpfbewohner auf seine Frage geben würde, sie der Wahrheit entsprach. "Sie sind wach aber noch nicht ganz auf den Beinen, die beiden haben die meiste Zeit damit verbracht ihren Metvorrat zu verköstigen." Der Argonier hatte ein Siatuationsbewusstsein wie es Kerem in seinem langen Leben noch sonst nirgends gesehen hatte. Natürlich war irgendwie Magie im Spiel, aber Fakt war dass der Argonier Dinge spürte und wusste die allen anderen erst deutlich später oder gar nicht aufgingen. Wahrscheinlich war auch genau das der Grund warum Kerem diesen humorlosen Boltzen zugestellt bekommen hatte. Oft war Tarotaro einfach nur anstrengend, aber in den paar wenigen Aufträgen abseits der Karavane, die die beiden zusammen erledigt hatten, war der Schuppenträger wertvoller als jeder Magier und jede noch so feine Ausrüstung die er hätte bekommen können - man musste nur zu verhindern wissen, dass er mit seiner Vorliebe für klare Fakten und der systematischen Verweigerung von Charme und Rhetorik, auf Mission mit potentiellen Informationsgebern sprach. Wobei das an dieser Stelle vielleicht etwas überzogen wirkt. Tarotaro war ein sarkastischer, dwemer Klotz, aber nicht dumm. Er wusste sehrwohl, dass zu seinen Aufgaben nicht das Beschaffen von Informationen zählte... eher sah er sich in der Position zu verhindern dass Kerem sich in Kleinigkeiten und zu lockerer Disziplin verlor - mal davon abgesehen, dass der Dunmer gelegentlich sehenden Auges in Löcher und Fallen laufen würde.
Der Abbruch des Lager nahm noch den ganzen restlichen Vormittag in Anspruch und die Sonne hatte den Zenit bereits überschritten als alle endlich wieder auf den Guar saßen und die Karavane sich wieder im gemächlichen Schritttempo der zweibeinigen Großechsen weiter nach Norden schob. An der Spitze ritten Kerem und Tarotaro, dazwischen lief ein Guar, schwer beladen mit Waren, am Ende folgten die beiden Söldner jeweils auf einm Guar sitzend zwischen ihrem eigenen Hab und Gut und weiteren Waren. Schon beim Abbau der Yurte war Kerem der gespannte Hals des Argoniers, wohl das einzige Körperteil an dem man ernsthaft etwas wie Muskelbewegung unter den Schuppen erkennen konnte, aufgefallen. Jetzt da sie ein bisschen Abstand zu den beiden Nord hatten, fragte er den Argonier: "Was hast du? Ist das Wetter doch nicht stabil?" Keine Wolke weit und breit am Himmel, zugegeben, ein seltener Anblick im westlichen Aschland, aber im Vergleich zum Osten und der Amur hinter der Azuraküste sicherlich gewöhnlicher als die roten Peststürme oder die von der Asche in der Luft schmierigen Regengüsse. Der Argonier blickte Kerem nur wortlos an. Natürlich war die Frage nach dem Wetter sinnfrei. Tarotaro war soetwas wie ein besserer Wetterfrosch. "Ich weiss es noch nicht, irgendetwas passt nicht." Antwortete der Argonier. Klar hätte Kerem jetzt nachfragen können was es für ein Problem gab, aber genauso wie es an der Feinfühligkeit der großen, Leder tragenden Eidechse fast nie einen Zweifel gab, hatte es auch keinen Zweck ihn nach so einer Antwort um mehr Details zu bitten. Kerem musste wohl selbst deutlich aufmerksamer sein bis sie in Ald'Ruhn waren. Immerhin konnte er die beiden Söldner ausschließen, Mit ihnen waren sie jetzt schon einige Tage unterwegs und bevor der Aschesturm den Argonier dazu zwang sich über ihre so unausweichliche Verspätung mit ihrer Lieferung an Fellen in Ald'Ruhn zu echauffieren, war der Argonier seit Caldera vergleichsweise entspannt gewesen.