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Nach der Katastrophe von Duisburg war der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger bemüht, die Verantwortung von seiner Behörde und der Polizei zu weisen - und sie an den Veranstalter weiterzugeben. Doch ein Gutachten belegt nun: Die Beamten waren in der Pflicht, zu handeln.
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Ein Rechtsgutachten kommt nun aber zu dem Schluss, dass "eine vollständige und ausschließliche Übertragung der Aufgabe der Gefahrenabwehr" gegen geltendes Verfassungsrecht verstoße.
In Auftrag gegeben hat das Gutachten die FDP-Landtagsfraktion. In dem Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, heißt es: "Dies bedeutet, dass jedenfalls eine subsidiäre Zuständigkeit […] der Polizeibehörden stets bestehen musste und bestand. Mit anderen Worten: Spätestens in dem konkreten Moment, da sich eine Gefahrenlage abzeichnete, oblag die Aufgabe der Gefahrenabwehr in jedem Falle (auch) den bei der Love Parade anwesenden Polizeikräften."
Auch wenn der Veranstalter, also im Falle Duisburgs Lopavent, für die Veranstaltung verantwortlich ist, so bleibt die Polizei dennoch zuständig - und kann sich nicht aus der Affäre ziehen. Die Gefahrenabwehr war Aufgabe der Polizei, die Beamten mussten für die Sicherheit der Menschenmassen sorgen.
In einer Sondersitzung des Innenausschusses des NRW-Landtags am 4. August betonten sowohl Jäger als auch Wehe, die Polizei sei für die Sicherheit auf dem Veranstaltungsgelände nicht verantwortlich gewesen, sondern sei im Tunnel und auf der Rampe nur zur Hilfe geeilt, als das Sicherheitskonzept des Veranstalters "versagt" habe.
"Die Polizei hat eine eigene Rechtspflicht, sich im Katastrophenfall einzubringen", sagt dagegen Horst Engel, Hauptkommissar und innenpolitischer Sprecher der FDP im Düsseldorfer Landtag, SPIEGEL ONLINE. Das heißt: In dem Moment, in dem die Beamten eine Gefährdung - beispielsweise im Eingangsbereich - ausmachten, hätten sie handeln müssen.
Das Gutachten führt vier neuralgische Punkte an, an denen die Polizei im Rahmen der sogenannten Gefahrenabwehr hätte einschreiten müssen:
-Ab 14 Uhr hätten die Beamten für eine Sperrung der beiden Zugänge zum Tunnel sorgen müssen, um eine Entlastung im Tunnel und auf der Rampe zu gewährleisten.
-Auf dem Rampenkopf hätten Polizeikräfte die Besucher zum Weitergehen bewegen müssen - statt auf Wunsch des Veranstalters am Fuß der Rampe eine Polizeikette zu bilden.
-Ein Lautsprecherwagen hätte die Besucher am Fuß der Rampe auffordern müssen, nicht zu drängeln.
-"Möglicherweise hätte auch eine Verlegung des Paradeweges weg vom Rampenkopf für erforderlich erachtet werden dürfen", heißt es in dem Gutachten weiter.
Das nordrhein-westfälische Innenministerium wollte sich gegenüber SPIEGEL ONLINE nicht zu dem Gutachten äußern, da es dort derzeit noch nicht vorliegt.
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