Hallo alle miteinander. Die folgenden Texte stammen im Original von Kentona, dessen FUNdamentals of RPGs Serie von mir mit seiner Erlaubnis übersetzt wurden. Es sind keine technischen Anleitungen für den RPG-Maker, sondern vielmehr generelle Richtlinien zum Rollenspieldesign. Somit sind sie sowohl für Neulinge als auch für alte Hasen lesenswert.
Die Serie besteht aus 6 Teilen.
I. Die Rolle des Spielers
II. Attribute und Fähigkeiten
III. Geschichte und Weltenbau
IV. Quests und Ziele
V. Belohnungen
VI. Balancing
Die Wurzeln des Rollenspiels
Wenn wir an RPGs denken, denken wir an Attribute, Fähigkeiten, Waffen und Rüstungen, Klassen, Zauber, Monster, Dungeons, Quests und zahlreicher weiterer, voneinander abhängiger, Spielelemente. Aber wenn man all die Tabellen, Klassen, den Weltenbau, die Schätze und das Balancing wegnimmt; wenn man das RPG auf seine Basis herunterbricht, dann hat man ein gutes altes Spiel der Fantasie. Im Zentrum dieses Spiels steht Mein Typ. Der Fortschritt des Charakters den man spielt und sein ultimativer Sieg am Ende. Egal ob man Räuber & Gendarm, Cowboy & Indianer, Space Rangers, Ritter & Zauberer oder Ninja Turtles spielt. Die Geschichte handelt von Meinem Typ und wie Mein Typ gut genug wird, um die Welt, die Prinzessin oder den Kuchen zu retten.
Wenn wir zurück zu unseren klassischen RPG-Elementen kehren, bedeutet die Rolle von Meinem Typen einzunehmen, in die Rolle des Helden des Spiels zu schlüpfen. Dieser Held kann entweder mittels eines Charakter-Editors individuell erstellt werden; er kann aus einer Reihe verschiedener Avatare ausgewählt worden sein, die jeweils andere Eigenschaften repräsentieren; oder es kann ein vorgegebener Charakter sein, den man im Laufe des Spiels individuell formt. In jedem Fall kommt es zu einer Bindung zwischen dem Spieler und dem Charakter und er kümmert und sorgt sich um den Fortschritt und den Erfolg von Seinem Typen.
Was das simple Kinderspiel Räuber & Gendarm von einem RPG unterscheidet, ist Struktur. Durch ein konsistentes System von nachvollziehbaren Regeln erlauben es RPGs den Spielern in spaßigen und fairen Situationen zu interagieren, wobei alle Spieler eine vernünftige Chance haben, zu gewinnen. Der Spaß kommt daher, den Charakter (oder die Charaktere) zu entwickeln und sie innerhalb der Spielregeln zum Sieg zu führen.
Die Rolle des Spielercharakters (SC)
Du bist, wer du vorgibst zu sein. - Sherry Turkle
Egal welche sonstigen Features ein RPG hat, in ihrem Kern geht es immer um die Identifikation des Spielers mit einem oder mehreren Charakteren. Der Spieler erlebt und entdeckt die Welt durch die Augen seines Avatars. Er handelt durch seinen Alter Ego und rettet so den Planeten, die Prinzessin oder tötet den bösen Dämonenprinzen. Der Fokus eines jeden RPGs sollte daher darauf liegen, ein Gefühl von Gemeinsamkeit zwischen Spieler und Spielercharakter zu fördern. Ein Weg das zu erreichen, ist es, Charaktere zu entwickeln, die den Spielstil derjenigen Spieler wiederspiegelt, die ihr mit eurem RPG erreichen wollt. Es folgt eine Unterteilung der verschiedenen Spielertypen:
Der Kämpfer
Erwartet:
- Spielziele die hauptsächlich durch Kämpfe erreicht werden
- Hauptfokus auf die Kampffertigkeiten der Charaktere
Spiele die auf den Kämpfer zugeschnitten sind, müssen ein ausgefeiltes Kampfsystem bieten. Alle größeren Probleme des Spiels müssen in irgendeiner Art und Weise durch Gewalt lösbar sein. Der Designer muss Wert auf einzigartige Kampffertigkeiten, zahlreiche Zauber und eine Vielzahl herausfordernde Monster legen, um ein Spiel für den Kämpfer zu bauen. Da das Spiel hauptsächlich durch Kampfhandlungen vorangetrieben wird, nimmt das Gegnerdesign und die KI einen hohen Stellenwert in der Entwicklung ein. Jede Begegnung sollte eine einzigartige Bedrohung mit einer einzigartigen Schwäche darstellen.
Beispiele:
Wenn wir uns Diablo II anschauen, können wir feststellen, dass das ganze Spiel darauf ausgelegt ist, die Kampffertigkeiten und -Attribute des Charakters zu entwickeln, um sich einen Weg durch die Monsterhorden zu schnetzeln. Quasi jede Quest erfordert das Besiegen von Gegnern durch Gewalteinwirkung. Meist als primäres Ziel, ansonsten als notwendigen Zwischenschritt.
Der Problemlöser
Erwartet;
- Variierende Spielziele mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten
- Die Möglichkeit, verschiedene Objekte, Aktionen und Strategien zu kombinieren um zu kreativen Lösungen zu kommen
Der Problemlöser möchte die vorherrschenden Regeln der Spielwelt nutzen, um seinen Weg durch die verschiedenen Probleme zu finden. Wann immer möglich, möchte der Problemlöser das Spiel überlisten. Um diesen Spielertyp anzusprechen, muss der Designer in der Lage sein, dem Spieler viele verschiedene Objekte und Aktionen anzubieten, um mit verschiedenen Strategien dasselbe Problem zu lösen. Ein Kampfsystem, dass es erlaubt, überlegene Feuerkraft durch cleveres Handeln zu besiegen, ist perfekt für diese Spieler. Puzzles, Rätsel und Labyrinthe sind ebenso willkommen. Der Schlüssel um einen Problemlöser ans Spiel zu fesseln ist es, ihm gerade genug Informationen zu geben, um die Probleme auf seine Art und Weise zu lösen. Auf keinen Fall darf dem Spieler klipp und klar gesagt werden, was er in dieser und jener Situation genau zu tun hat.
Die Schwierigkeit in einem solchen Design ist, dass eine komplexe Spielmechanik schnell den Punkt der Unübersichtlichkeit erreicht. Wenn jedes Problem auf hundert Arten gelöst werden kann, ist es kaum möglich, jeden Weg einzubauen, geschweige denn zu testen. Wichtig ist es, sich daran zu erinnern, dass es keine komplexen Regeln braucht, um komplexe Ergebnisse zu erzielen. Schach hat nur 16 Spielsteine mit beschränkten Bewegungsmöglichkeiten und kann trotzdem höchste Komplexität erreichen. Legt simple Regeln für euer Spiel fest und baut dann eure Welt so, dass sie diese Regeln nutzt.
Beispiele
- Die Zelda-Serie
- Knights of the Old Republic
In den Zelda-Spielen findet man Gegenstände wie den Enterhaken und den Bumerang, die simple Regeln nutzen. Aber die Welt ist dermaßen gestaltet, dass man diese Gegenstände clever einsetzen muss, um die Probleme des Spiels zu meistern. In Knights of the Old Republic können die Charaktere Fertigkeiten lernen, die keinen kämpferischen Nutzen haben. Z.B. Hacken und Schlösser knacken. Diese Fertigkeiten erlauben es, Probleme auf verschiedene Art und Weisen zu lösen. Statt die Wachen mit dem Lichtschwert zu töten, kann man z.B. auch die Wachtürme umprogrammieren.
Der Schatzsucher
Erwartet:
- Häufige und wertvolle Beute
- Eine flexibles, nachvollziehbares Wirtschaftssystem, das Schnäppchen und Arbitrage erlaubt
- Ein gut organisiertes Inventar, mit der Möglichkeit zusätzliche Informationen über die Gegenstände aufzurufen
Der Schatzsucher sieht die Spielwelt als riesiges, verzweigtes Einkaufszentrum. Jede Kiste, jedes Fass, jeder Plasteel-Behälter existiert nur für den darin enthaltenen Loot. Zombies und Ladenbesitzer sind lediglich Hindernisse auf dem Weg zu mehr Items. Deshalb braucht es ein wohlorganisiertes Inventarsystem, dass dem gut ausgestatteten Schatzsucher zur Seite steht. Der Nutzen eines jeden Items muss klar sein. Optimal sind zusätzliche Hintergrundinformationen zu jedem Gegenstand. Um einen Schatzsucher bei Laune zu halten, muss man ihm mehr und bessere Beute versprechen, umso weiter er im Spiel fortschreitet.
Beispiele:
- Diablo-Serie
- Baldurs Gate 1&2
- Knights of the Old Republic
- Dragon Quest Serie
Jedes Spiel ist zumindest teilweise für den Schatzsucher geeignet. Jeder Dungeon und jede Höhle enthält mehr oder weniger wertvolle Schätze. Auch Monster sind eine gute Quelle für Loot den der Spieler später selbst nutzen oder verkaufen kann. Diablo ist das beste Beispiel für Monsterloot und ist das Vorzeigespiel für zufällig generierte Gegenstände. Baldurs Gate hingegen, macht sich viel Mühe damit, den Hintergrund und die Nützlichkeit eines jeden Gegenstandes detailliert zu beschreiben. Knights of the Old Republic II verfügt über ein exzellentes Crafting System, während Dragon Quest VIII ein hervorragendes Alchemie System enthält.
Der Story-Interessierte
Erwartet:
- Eine Geschichte die das Spielen lohnenswert macht
- Gut geschriebene Dialoge und eine interessant erzählte Geschichte
- Charaktere mit Tiefe, die sich im Spielverlauf weiterentwickeln
- Fähigkeit einem oder mehreren Storyfäden zu folgen
Der Story-Interessierte erwartet eine gut gemachte und erzählte Geschichte. Er hat Spaß zuzusehen wie die Charaktere sich entwickeln und miteinander interagieren, sowie an unerwarteten Wendungen in der Geschichte. Zudem erwartet er, dass das Spiel, nach all dem Blut, Schweiß und Tränen, zu einem befriedigenden Ende kommt. Es ist sehr leicht, bei der Kreation eines storylastigen RPGs den Überblick zu verlieren. Erstellt zunächst einen einfachen Ablaufplan, auf dem man einfach Geschehnisse hinzufügen oder entfernen kann, sowie allgemein den Überblick über den Ablauf der Geschichte behalten kann. Schreibt detaillierte Charakter. Notiert ihre Persönlichkeit, ihre Weltanschauung, ihre Verhaltensweisen und Gesinnung. Gebt jedem Charakter glaubwürdige Ziele und Wünsche. Stellt euch vor, ihr wärt der Charakter an dem ihr gerade arbeitet. Wie würde er/sie mit ihren Vorstellungen in dieser und jener Spielsituation handeln? Verwendet nicht nur Text um die Story und die Charaktere zu präsentieren. Zwischensequenzen und Bilder verleihen dem Spiel erst die richtige Würze.
Beispiele:
- Final Fantasy Serie
- Knights of the Old Republic
Die Final Fantasy Spiele legen großes Augenmerk auf Story, Plot und Charakterentwicklung. Die Spiele erzählen oft abwechslungsreiche Geschichten die teils ernst, teils traurig, teils absurd komisch sein können. Jeder Charakter hat eine detaillierte Geschichte und Persönlichkeit und interagiert auf seine ganz eigene Weise mit den anderen Hauptcharakteren.
Der Selbstverliebte
Erwartet:
- Häufige Gelegenheiten die Fertigkeiten seines Charakters auszubauen
- Fähigkeiten die dem Charakter klare Vorteile geben
- Eine übersichtliche Möglichkeit den Fortschritt der Charaktere numerisch oder grafisch zu folgen
Der Selbstverliebte erwartet, dass sich das Spiel um ihn dreht. Königreiche können aufsteigen und fallen, Planeten vernichtet werden. Der Selbstverliebte interessiert sich für all das nicht, sondern erwartet, dass seine Charaktere am Ende die Besten, Klügsten, Bestausgerüsteten und Reichsten sind. Niemand und nichts ist sonst annähernd wichtig. Ein Spiel für den Selbstverliebten braucht ein System von Attributen und Fähigkeiten, das einen stetigen Ausbau ermöglicht und visuelle Rückmeldung über den Fortschritt gibt. Allerdings muss das Spiel auch zahlreiche Gelegenheiten bieten, diese Fähigkeiten auch einzusetzen. Für Kampffähigkeiten ist dies in den meisten RPGs zweifellos der Fall. Allerdings müssen auch Nicht-Kampffertigkeiten einen sichtbaren und oft nutzbaren Vorteil bieten, da sie ansonsten ignoriert werden.
Beispiele
- Final Fantasy Serie
- Knights of the Old Republic
- Diablo Serie
Wie gesagt, sind eigentlich die meisten RPGs gut darin, den Selbstverliebten anzusprechen. Dennoch gibt es einige, die das noch besser machen. Final Fantasy Tactics z.B. erlaubt es, eine Vielzahl von Klassen und Techniken zu erforschen und diese durch das ganze Spiel hindurch einzusetzen. Knights of the Old Republic hingegen, ist sehr gut darin, Nicht-Kampffertigkeiten anzubieten, die das ganze Spiel, selbst im Endkampf, relevant und nützlich sind. Und Diablo ist der feuchte Traum eines jeden Min/Maxers.
Der Tourist
Erwartet:
- Eine große, erforschbare Welt
- Eine detaillierte Umwelt, die Spielerinteraktion fördert
- Eine Möglichkeit, den Fortschritt in der Spielwelt zu messen
Der primäre Wunsch eines Touristen ist es, eine exotische oder grausame Welt zu erforschen und dadurch tiefer in Mysterien, Schönheit oder Schrecken einzutauchen. Sie erwarten eine hochdetaillierte und interaktive Umwelt, die so viele Sinne wie möglich anspricht. Kleine Details machen die Welt glaubwürdig und erlauben es dem Touristen in dieser Fantasie-Welt zu versinken. Die Atmosphäre und das Setting haben einen großen Anteil daran, ob der Tourist ein Spiel spielt oder nicht.
Um den Touristen anzusprechen, muss es ihm möglich gemacht werden, sich ständig fortzubewegen. Das Spiel benötigt daher einen recht niedrigen Schwierigkeitsgrad, der es erlaubt, mehr oder weniger ungestört auf Entdeckungstour zu gehen. Aber auch das eine oder andere zunächst unüberwindbare Hindernis ist nötig, um der unternommenen Reise überhaupt einen Wert zu geben.
Beispiele
Die Baldurs Gate Spiele spielen in der riesigen, gut ausgearbeiteten Fantasywelt der Vergessenen Reiche. Daher haben sie eine reichhaltige Geschichte und eine konsistente Weltdynamik zu bieten.
Kein Spieler ist nur einer der beschriebenen Typen. Jeder Spieler mixt diese Elemente zu einem einzigartigen Cocktail. Allerdings werden diese generellen Typen bestimmen, wie ihr euer Spiel designt und welche Dinge Einzug in euer Spiel finden. Im Ergebnis wird das Feeling eures Spiels dadurch bestimmt, wie ihr die verschiedenen Elemente der einzelnen Spielertypen mischt und einbaut.
Den Spielercharakter erstellen
Es gibt viele verschiedene Wege, einen Spielercharakter zu erstellen. Hier werden die drei wichtigsten vorgestellt: Die Charaktergenerierung von Null, die Klassenauswahl und der vorgegebene Charakter.
Die Charaktergenerierung von Null
Noch bevor das Spiel eigentlich losgeht, hat der Spieler die Möglichkeit seinen Charakter nach seinen Wünschen zusammenzustellen. Dabei bestimmt er den Namen, das Geschlecht, das Aussehen, die Rasse, den Beruf, die Eigenschaften und tausend anderes. Der Spieler erhält eine bestimmte Anzahl an Punkten um diese auf seine Attribute und Fähigkeiten zu verteilen, manchmal wird auch gewürfelt um zu bestimmen, wie stark oder schwach der Charakter ist.
Beispiel:
Vorteile:
- Der Spieler kann sich einen individuellen Charakter zusammenstellen
- Sehr beliebt bei Spielern die vertraut mit Rollenspielen an sich sind
Nachteile:
- Kann den Spieler gleich am Anfang überfordern
- Verhindert einen schnellen Einstieg ins Spiel
- Kann teilweise an mangelhafter Charakterentwicklung während des Spiels leiden
Klassenauswahl
Der Spieler hat die Wahl aus einer von mehreren vorgegebenen Klassen und kann seinen Charakter dann nur noch benennen.
Beispiel:
Vorteile:
- Der Spieler hat sehr schnell die Möglichkeit, den Charakter auszuwählen, der seiner Spielweise am ehesten entspricht
- Es dauert nicht lange, bis man nach dem Spielstart tatsächlich spielt
Nachteile:
- Man ist typischerweise an ein Klassen- und Levelsystem gebunden
- Deshalb hängt man mit den Fertigkeiten fest, die für die gewählte Klasse vorgegeben sind
Der vorgegebene Charakter
Hier erhält der Spieler sofort die Kontrolle über einen vorgegeben Charakter. Der Spieler hat nur beschränkten Einfluss auf die Entwicklung dieses Charakters.
Beispiel:
Vorteile:
- Der Spieler muss sich keine Gedanken über komplexe Spielmechaniken wie Klassen, Attribute und Fähigkeiten machen
- Das Spiel springt direkt zur Action
Nachteile:
- Der Spieler hängt mit einem Charakter fest, den er sich nicht gewählt hat und der vielleicht nicht den bevorzugten Spielstil des Spielers widerspiegelt
Zusammenfassung von Teil I
Wenn ihr sonst nichts aus diesem Artikel mitnehmt, solltet ihr doch verstehen, dass der Spieler zentral für jedes Spiel ist. Wenn ihr euer Spiel mit den Bedürfnissen des Spielers im Hinterkopf programmiert, seit ihr der Masse der Entwickler bereits einen Schritt voraus. Erinnert euch daran, dass die Spieler versuchen, Spaß mit dem Spiel zu haben, dass sie gerade spielen. Wenn ihr eure Ideen mit den Vorstellungen der Spieler vereinbaren könnt, werden beide Seiten am Ende viel mehr Spaß haben.