Hier wird nicht geterrort
Seit einem halben Jahr hängt mir das Thema wie Pech an den Füßen. Gegen Ende letztes Jahr sind knapp hintereinander meine beiden Großväter verstorben, beide wegen Krebs. Mein Opa väterlicherseits ist zuhause bei meiner Oma verstorben, weil er sich schon ein paar Tage vorher verlegen hat lassen, mein Opa mütterlicherseits war bereits im Krankenhaus wegen einer bald geplanten Operation und mein Gott, als wir uns kurz vorher gesehen haben, war er so gut gelaunt wie noch nie und scheinbar ziemlich fit. Wir haben noch ausgemacht, dass wir uns nach der Operation noch mal sehen, aber...ja, den Rest kann man sich denken.
Vor kurzem habe ich über Facebook erfahren, dass einer meiner ehemaligen Klassenkameraden bei einem Unfall mit einer S-Bahn verunglückt ist. Der Mann war 21 und Kern gesund.
Ich weiß nicht genau was ich im Bezug auf dieses Thema eigentlich sagen möchte, oder groß Beitragen kann, bis auf vielleicht meine Erfahrungen. Ich wünschte es würde mehr über den Tod geredet werden, vor allem im Kreis der Familie. Zumindest fiel es mir immer schwer, mich bei jemandem direkt dazu zu äußern, weil das Thema immer so schnell gewechselt und vergraben wird. Und es gibt vor allem nie den richtigen Augenblick darüber zu reden. Beim Essen verdirbt man das Essen, beim Fernsehschauen den Film, beim Ausflug den Ausflug.
Und das kotzt mich ziemlich an. Es muss doch möglich sein, dem Thema mal 5 Minuten zu gönnen ohne beschämt die Fusseln auf dem Boden zu zählen und es ganz ganz schnell zu verdrängen. Man kann ja glauben, was man will, was nach dem Tod kommt, aber wir Lebenden gehen nun mal nicht mit, wir bleiben hier und wir leiden darunter, wir weinen, wir zweifeln uns selbst an, wir fragen was wir überhaupt vorweisen könnten, würden wir bald sterben, zumindest für eine kurze Zeit, bis wir uns mit der Tatsache angefreundet haben und daraus unsere Schlüsse ziehen. Vielleicht geht dass ja anderen anders, aber das sind meine Erfahrungen, und diese Erfahrungen machen mich wütend.
Über den Tod nachgedacht habe ich oft, schon als kleines Kind, einfach nur vor mich hingedacht und mir vorgestellt wie es sich anfühlen könnte, tot zu sein, einfach versucht eine vage Idee davon zu bekommen. Bevor jetzt jemand irgendwas falsches denkt: Selbstmordgedanken hatte ich nie. Davon möche ich mich absolut distanzieren. Aber nachts im Bett zu liegen und versuchen seinen Körper zu vergessen - weil den nehmen wir ja offensichtlich nicht mit auf die andere Seite - war früher ein beliebtes Hobby bei mir, wenn ich nicht schlafen konnte. Da ich als Teenager auch viel Zeit hatte, habe ich da auch weiter über den Tod nachgedacht. Über das was danach kommt, natürlich auch. Einen Tages auf einer Bank, überkam mich mal der dumme Gedanke, dass ich vielleicht mal wiedergeboren werden wollen würde. Als Adler oder als Eichhörnchen oder so. Ich finde diese Vorstellung gut, und so schnell wie die Natur sich entwickelt, finde ich den Gedanken gar nicht abwegig, dass jede Existenz die geht, in irgendetwas wieder aufersteht, als natürlicher Kreislauf. Ich bin zwar eingetragener Katholik, aber einordnen würde ich mich dort nichtmehr. Ernsthaft gebetet hab ich zuletzt in der fünften Klasse, danach hab ich beim Morgengottesdienst nur noch zugehört - ich war auf einer katholischen Mädchenschule - und weil ich Religion trotz allem interessant finde, mich lieber auf den Inhalt der Gebete, als auf deren angebliche Wirkung konzentriert. Ich könnte Gottes Existenz jetzt nicht unbedingt abstreiten, aber verlassen möchte ich mich auf ihn auch nicht unbedingt.
Angst hätte ich vor einer Art traumlosen ewigen Schlaf. Schwärze und Einsamkeit und all den Stuff. So hab ich mir das mal als Kind vorgestellt, und die Vorstellung würde mir heute noch Angst machnen, wenn ich mich auf den Gedanken einlassen würde.
Vor dem Alter an sich habe ich überhaupt keine Angst. Solche Dinge, die auf jedenfall kommen, lasse ich einfach auf mich zukommen. Wenn ich später mal graue Haare bekomme, lasse ich sie mir schneeweiß färben und werde immer wenn möglich in einem maßgeschneiderten vektorianischen Kleid in irgendeinem Park herumflanieren und neugierige Kinder anlocken, um ihnen coole Geschichten zu erzählen. Es sei denn, es kommt mir was dazwischen, die neue Rente ab 85 oder so