Ein junger namenloser Recke (im Englischen Benjamin) wird von einem auf einer fliegenden Wolke sitzenden alten Mann dazu auserkoren vier mächtige Kristalle, die der Dämonenkönig in seine Gewalt gebracht hat, von dessen Schergen zurückzuerobern und den finsteren Herrscher zu besiegen, um den Frieden auf der Welt wiederherzustellen.
Mystic Quest Legend für den SNES – in Amerika eher bekannt unter dem Namen Final Fantasy Mystic Quest und in Japan (ziemlich uncharmant) als Final Fantasy USA: Mystic Quest – wurde ursprünglich als DIE Einstiegsdroge für JRPG-unkundige Videospieler in westlichen Gefilden konzipiert. Doch dass der Plan nicht wie erhofft aufgegangen ist, dürfte ein offenes Geheimnis sein.
Ich selbst habe – wie man anhand des Titels erahnen kann – die deutsche Version gespielt, deren ohnehin schon minimalistische Story aufgrund einer nur gruselig zu nennenden Übersetzung quasi auf ein simples ‚Gehe hin und tue Gutes.’ reduziert wurde.
Mit dieser Prämisse im Hinterkopf durchstreift der Held dann auch vier verschiedene Landstriche, die durch den Raub des örtlichen Elementkristalls von unterschiedlichen (Natur-)Katastrophen heimgesucht werden (u. a. Erdbeben und heftige Stürme). Auf seiner Reise trifft er immer mal wieder Leute, die ihm temporär als Partner in den Kämpfen zur Seite stehen und NPCs, die ihn mit mehr oder weniger wertvollen Tipps unterstützen.
Zur Bewerkstelligung seiner Aufgabe findet er neben nützlichen Gegenständen und Zaubern Waffen wie Schwerter, Äxte, Krallen und Bomben sowie Helme, Rüstungen und Schilde. Diese existieren im gesamten Spiel jeweils in dreifacher Ausführung, wobei die neueste Version stets effizienter ist als das vorangegangene Modell und dieses automatisch ersetzt. Zudem lassen sich die Waffen sowohl außer- als auch innerhalb von Kämpfen problemlos auswechseln, was für kleinere Rätsel bzw. Gegneranfälligkeiten durchaus praktisch ist.
In gewisser Weise ist Mystic Quest Legend schon irgendwie ein Anfängerspiel: Man kann sich im ersten Dorf kostenlos heilen, die Truhen füllen sich immer von neuem auf, wenn man den Ort (egal ob Dungeon oder Städtchen) zwischendurch verlässt und bei einer Niederlage im Kampf darf man ohne Konsequenzen sofort einen zweiten Versuch unternehmen.
Wenn man besagte Kämpfe allerdings zum zigsten Mal wiederholen muss, weil die beiden aktuellen Helden in einer Tour versteinert, mit einem einzigen Schlag niedergestreckt oder verwirrt werden, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass sie sich selbst oder gegenseitig den Garaus machen, darf man sich getrost fragen, was sich die Entwickler unter ‚einfach’ so vorgestellt haben. Frei von Frust äußert sich anders…
Darüber hinaus ist es auch nicht gerade hilfreich, wenn man keinen blassen Schimmer hat, welchen Effekt die verschiedenen Items haben. Und dieser Umstand ist nicht mal der Übersetzung geschuldet: Zwar sind die deutschen Begriffe stellenweise ziemlich irreführend (beispielsweise ‚Zaubertrank’ für eine Art Frucht), aber die englischen Bezeichnungen verraten einem ebenso wenig über den Verwendungszweck.
Ein weiterer meiner Frustfaktoren, namentlich die Tatsache, dass mir in den Dungeons teilweise die Heilitems und -zauber nur so weggeschmolzen sind, war eher hausgemacht. Intelligent wie ich war habe ich nämlich erst pünktlich im finalen Endbosskampf gemerkt, dass man die Heilmagie nicht nur auf ein Partymitglied, sondern auf beide gleichzeitig anwenden kann.
Im deutschen Sprachraum dürfte Mystic Quest Legend am bekanntesten für seine... - nennen wir es huldvoll – ‚überaus kreative’ Übersetzung sein.
Und so darf man sich unter anderem auf die immer wieder aufs Neue irritierende Standardformulierung „Chara widersteht dem Angriff“ freuen, die besonders dann für Kopfschütteln sorgt, wenn die Attacke die betreffende Person aus den Latschen haut. Doch auch Begriffe wie ‚Feuerwasser’ für ein besonders wirksames Elixier oder ‚Hösen Dösen Schatz’ für das Vermächtnis eines legendären Piraten jagen dem geneigten Spieler eiskalte Schauer über den Rücken. Übertroffen wird diese Wortakrobatik nur noch von den Gegnernamen, unter denen sich ‚Perlen’ wie ‚Schundwurm’, ‚Östro Genius’ oder die berühmt-berüchtigte ‚Horrorwindel’ finden.
Liest man allerdings im Abspann, dass diese Ergüsse aus der Feder desjenigen stammen, der auch schon die Texte von Secret of Mana verbrochen hat, wundert einen beinahe überhaupt nichts mehr…
Musikalisch erlebte ich beim Spielen einen umgekehrten nostalgischen Aha-Effekt, da mir sowohl die Stücke der normalen als auch die der Bosskämpfe aus früheren Makerspielen sehr bekannt vorkamen.
Für vereinzelte Lacher sorgen die zusätzlichen Gegnergraphiken, die eingeblendet werden, wenn die Monster bereits angeschlagen sind und diese in zumeist witzigen Posen zeigen (u. a. eine kahle Medusa, die sich erschrocken über die nackte Kopfhaut streicht; ein am Boden liegender Zerberus, an dessen Schwanz eine weiße Fahne befestigt ist; eine Krabbe mit abgebrochener Schere, aus deren Maul Schaum blubbert; ein alter Hexer, der abwehrend die Hände hebt…).
Auch einige Zustände, die die beiden Helden erleiden, sehen zum Schießen aus, da sie sich dabei zum Betrachter drehen und - je nach Gegnerangriff - mit großen Augen verbrannt, vom Blitz getroffen oder in einen Schneemann verwandelt werden.
Als kleines Schmankerl finden sich auf der Weltkarte hier und da sogenannte Schlachtfelder, auf denen man zehn Kämpfe (nicht mal streng hintereinander) bestehen muss, um Extra-EXP, -Geld oder -Items abzustauben.
Ein wenig verdutzt war ich über den Kampf gegen den Dämonenkönig, da dieser ohne ein einziges Wort desselben prompt startet. In den meisten Fällen bekommt man doch erst noch eine markige Rede a la „Ich böse. Du tot!“ an den Kopf geknallt…
Und den letzten Twist nach dem Finalkampf habe ich tatsächlich nicht vorhergesehen. Im Gegenteil: Ich hab ja zwischenzeitlich sogar gedacht, dass der Wolkenopi eigentlich der Dämonenkönig ist und mich das ganze Spiel über bloß verar*** !
Als ich danach auf den Startbildschirm wechselte, um mir die ungefähre Zeit meines letzten Spielstands abzuschreiben und die fünf (!) tanzenden Kristalle sah , hatte ich die Erkenntnis des Tages! Ist mir vorher nie aufgefallen...
Für mein Punktekonto hat sich das Spiel voll gelohnt, denn ich habe insgesamt ca. 16 Stunden und 45 Minuten gebraucht, weswegen ich mir 4 Punkte gutschreiben darf.
Meinem Seelenheil hat Mystic Quest Legend dagegen eher nicht so gut getan, obwohl ich hinreichend vorgewarnt war. Es ist fairerweise kein abgrundtief schlechtes Spiel, allerdings auch meilenweit von einem absoluten Meisterwerk entfernt und ich finde es für mich selbst bezeichnend, dass mir gerade die negativen Erlebnisse stärker im Gedächtnis geblieben sind als die paar positiven.
Zusammenfassend ist das Spiel nichts, was ich irgendwann noch mal wiederholen muss, aber ich möchte hier festhalten, dass es mit englischer Übersetzung vielleiiiiiiiiiicht ein klitzekleines bisschen angenehmer verlaufen wäre. Die deutsche Version ist ja hochgradig zum Fremdschämen!
Bingo-Kandidaten
B1 ohne Schnellspeicher- / Auto-Save-Funktion B3 100 % → alle Items & Zauber erhalten; alle Schlachtfelder mitgenommen B5 Reihe mit min. 12 Ablegern → Da das Spiel (ortsabhängig) ‚Final Fantasy’ im Namen trägt, sehe ich die Bedingung als erfüllt an. C3 Joker E1 niedrigster Schwierigkeitsgrad = einziger Schwierigkeitsgrad E5 Retro-JRPG (vor 1999 in Japan) → 1993
Ich bin ja tierisch verwirrt, dass ich das Spiel – unter welchem Namen auch immer – nicht auf Metacritic gefunden habe. Bin eigentlich davon ausgegangen, dass es quasi als Paradebeispiel für eine schlechte Wertung steht...
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Stand:
Gesamtanzahl der Spiele 3/??? Anzahl der (J)RPGs 2/??? Anzahl der Nicht-(J)RPGs 1/??? Erreichte Punkte 7/???