Matt schloss seine Finger um den Griff des Messers und ließ es schnell unter seinem Hemd verschwinden.
Dude... das Ding ist so scheiße kalt.
"Haben Sie schon eine Idee, was für einen Gefallen ich Ihnen schuldig bin?"
"Hey, soweit war ich noch nicht. Für erste geht das noch klar, aber wenn mir was einfällt sag ich Bescheid.
Shit. Jetzt wieder zurück in die Küche? Big Boss war doch bestimmt mittlerweile da und köpfte irgendwelchen Kram...
"Ah, hohem Moahem~!"
Matt schaute über seine Schulter und hätte sich am liebsten wieder umgedreht. In einer flüssigen Bewegung fiel dem Knaben ein Stück halb zerkautes Brot aus dem Gesicht und wurde mit einer Handbewegung wieder zurückgeschoben. Hätte er ne Kamera gehabt, hätte er es am liebsten gefilmt und ein GIF draus gemacht. Das wäre ein Knüller geworden.
"Hr-hrm! Ah, äh, sorry. Gar nicht gesehen. Morgen."
Theo schaute nun zu Robert und dann wieder zu ihm rüber.
"Dachte, ich schau mal, was in der Küche so los ist. Big Boss Eerie schon da?"
"Denke schon. Die müsste jetzt eigentlich gerade mit ihrer Gartentour durch sein. Wat willste denn, dude?"
"Nur mal gucken, ob ich ne Möhre oder so abstauben kann. So als kleines Extra zur Astronautennahrung. Ich versuch mein Glück einfach mal!"
Matt wollte gerade noch einwerfen, dass er sich bei dem Versuch genau so gut ein Hackbeil in die Hand einfangen könnte.
"Übrigens, schon was vom Don gehört?"
Der Don? Mister "schaut-mich-an-ich-war-mal-ne-große-fette-Nummer-und-jetzt-sitze-ich-hier-und-bin-nichtmals-mehr-ne-Ziffer"?
"Yo, kein Plan was du meinst. Ich war zu sehr damit beschäftigt mir gedanklich auszumalen was aktuell mit KILA los ist. Ich mein, ernsthaft. Ist sie ein Computer? Ist sie ne Frau? Und wenn ja, wie hoch sind die Chancen hier rauszukommen und sie auf nen Kaffee einzuladen?"
Matt schaute in zwei eher verdutzte Gesichter. Als hätte er gerade irgendwas gesagt was vollkommen abstrus ist. Ein bisschen Hoffnung war ja noch erlaubt oder?
"Nein. Ernsthaft. Ich war zu beschäftigt mit Gemüse schälen. Ich hab nicht zugehört."
"Hr-hrm! Ah, äh, sorry. Gar nicht gesehen. Morgen." Theodor Schumann.
Robert war erstaunt darüber, wie leicht er sich an ihn und Matt hatte anschleichen können. Seine Bewunderung schwang jedoch in einen kurzen, abschätzenden Blick um als er sah wie Theo einige Brotkrümel und Nahrungspaste am Mundwinkel hingen.
Die beiden jüngeren Männer verfielen in ein kurzes Gespräch welches Robert nicht wirklich interessierte. Erst als Theodor sein Unwissen über den kürzlich verstorbenen Don ausdrückte entschloss er sich wieder an diesem erquickenden Gespräch über Eerie und ihre Möhren teilzunehmen.
"Nun Mr. Schumann, unser Anführer ist Tod." Er ließ den nun frisch gespitzten Bleistift erneut in seiner Brusttasche verschwinden. "Ein weiterer, unnötiger Toter. Was meinen Sie Mr. Foster?"
Darauf bedacht keinen seiner Gesprächspartner aus den Augen zu verlieren ging Robert ein paar Schritte zurück und lehnte sich leicht an der kalten Wand an. Auch wenn die Vermutung, das einer der beiden Männer etwas mit dem Tod ihres ehemaligen Anführers zu tun haben könnte sehr weit hergeholt war, konnte es nicht schaden ihre Reaktionen genau zu bewerten. Mimik. Gestik. Hatten Sie etwas zu verbergen?
"Hach, ein Goldjunge...", seufzte Erie zufrieden, als sie die vielen Schüsseln mit den geschnittenen Zutaten vorfand und sie lächelte in sich hinein, sich daran entsinnend, wie ihr früher schon die Herren so manchen Wunsch von den Lippen abgelesen hatten. Aber das war lange her und dies war nicht die Rosengartenküche des Lord Waldwacht dem IV., in der sie nach Bedarf schalten und walten konnte was die Zutaten betraf. Dass sie noch immer eine Art Küchenregiment zu führen wusste, beruhigte sie aber.
Ihrer Leibesfülle geschuldet wusste sie, dass regelmäßige Mahlzeiten den Laden hier unten zusammenhielten. "Gnade uns Gott, wenn Kila mal beschließt, uns auszuhungern.", murmelte sie abermals in den Topf Suppe hinein und bekreuzigte sich automatisch.
Etwas in ihr vermisste den Trubel, als sie noch unzählige Gefangene hier unten waren - zum Tode verurteilt zu sein war eine Sache, sich dabei aber zu langweilen, eine ganz andere. Wahrscheinlich bestand Kila deswegen darauf, dass sie die riesige Farm bewirtschaftete, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam.
Endlich hatte sie alles an Kochutensilien hochgewuchtet und ächzte ob ihres Gewichtes, als sie ein letztes Mal in die Knie ging und endlich die große, gußeiserne Pfanne hervorholte.
Als die sah, was Matt bereits geschnitten hatte, reifte in ihr bereits der Essensplan für heute: "Falsche Schnitzel ohne Arsen mit Beilage."
So nahm sie als Erstes die Proteinpaste und vermengte diese mit den Karotten und dem Mais, die sie unglaublich fein geschnitten, fast pulverisiert, hatte. Diese formte sie dann zu kleinen Pattys und ließ sie in der Pfanne scharf anbraten bevor sie die in Wasser eingelegten, klebrigen Leinsamen auspresste und mit fein gehackten Nüssen durchmengte um so eine feine Panade für die falschen Schnitzel zu erhalten. Diese landeten abermals in der Pfanne.
Währendessen erhitzte sie den Sellerie in einigen Scheiben Zuckerrübe als süßgeschmackliche Beilage und frittierte dann im Sojaöl ein gutes Dutzend Kartoffelscheiben, damit sie so einen knusprigen Brotersatz hatten.
Zufrieden wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und hievte alles auf ein großes Tablett, die Suppe vom Vortag als Vorspeise planend.
Zwei großzügige Portionen lud sie auf Teller und versteckte sie bei den Pilzen, dort waren bekanntermaßen die besonderen Rationen für das Küchenteam positioniert und Matt sollte so eine große Portion finden.
Den Rest brachte sie in die Mensa, wo sie das Essen buffetartig aufbaute, hier konnten sich die wenigen Verbliebenen dann bedienen.
Breit grinsend stemmte sie die kräftigen Hände in die breiten Hüften und wischte sich dann die Hände an ihrer Schürze sauber.
"Ich habe es noch immer drauf.", dachte sie sich zufrieden und während sie den Umstehenden noch ein warmes Lächeln schenkte, würde sie sich abermals in den hydropnischen Bereich zur Arbeit begeben...
Geändert von Daen vom Clan (21.02.2017 um 00:27 Uhr)
Ah, die gute KILA, immer zu einem Scherz aufgelegt. Wenn er ihr tatsächlich den Strom abdrehte, dann würde sie wohl gewisse Probleme haben, irgendjemanden zu benachrichtigen. Außerdem könnte ihm nach zehn Minuten vermutlich ohnehin egal sein, ob noch irgendjemand jemals wieder hierherkam. Allerdings hatte sie sich anscheinend ohnehin schon abgeschaltet, also behielt er seine Gedanken für sich.
"Hm, Main Energy, Main Energy... Das Ding hier ist zwar so dreckig, dass man unmöglich erkennen kann, ob da etwas steht, aber ein großer roter Hebel ist doch recht eindeutig..."
Ohne dass es ihm selbst aufgefallen wäre, murmelt er vor sich hin. Kurzentschlossen griff er nach dem Schalter und zog ihn nach unten. Oder versuchte es zumindest. Ob generell schwergängig oder nur vom Rost gehalten, das Ding bewegte sich kein Stück. Er stützte sich an der Wand ab und versuchte es noch einmal. Wieder kein Erfolg. Schließlich zog er die Knie an und hängte sich mit seinem gesamten Gewicht an den Hebel. Wieder nichts.
"Da soll mich doch... Wäre doch gelacht, wenn ich das an so einem blöden Hebel verzweifeln würde!"
Genervt schritt er zum Schreibtisch zurück und besah sich den Werkzeuggürtel einmal näher.
"Was haben wir denn da alles... Hm, Schraubenzieher, keine Ahnung, keine Ahnung, Taschenlampe, keine Ahnung, keine Ahnung, Zange, keine Ahnung, ah, ein Hammer, genau das, was ich jetzt brauche."
Mit dem Hammer in der Hand ging er zurück zu dem widerspenstigen Hebel. Er holte aus und hieb einmal fest dagegen. Als Reaktion segelten ein paar Rostflocken zu Boden. Weil das so gut funktioniert hatte, schlug er gleich noch einmal zu. Daran, dass einen Stromschalter mit einem Hammer zu bearbeiten vielleicht nicht die beste Idee war, dachte er in diesem Moment nicht. Noch mehr Rost, der sich löste. Er legte den Hammer auf den Boden und versuchte erneut, den Hebel herunterzuziehen. Diesmal bewegte er sich immerhin ein Stück. Erneut stemmte er sich gegen die Wand und zog mit ganzer Kraft. Erst schien der Hebel wieder festzustecken, doch schließlich löste er sich mit einem Ruck und rastete unten ein. Leroy, der nicht mit der plötzlichen Reaktion gerechnet hatte, wurde von seinem eigenen Schwung davongetragen, stolperte prompt über den abgelegten Hammer, und stürze zu Boden. Daraufhin sah er erstmal Sterne. Oder eigentlich eher nicht. Genaugenommen sah er überhaupt nichts mehr. Um ihn war alles dunkel.
"He, KILA, sollte jetzt nicht eigentlich der Notstrom anspringen?"
Sein Ruf blieb unbeantwortet. Natürlich. Er klatschte sich gegen die Stirn. KILA hatte ja gesagt, dass sie auch ausfallen würde, wenn er den Strom abstellte. Und was nun? Wenn er nichts sah, konnte er schlecht irgendwelche Arbeiten durchführen... Ah, Moment, hatte er nicht im Werkzeuggürtel eine Taschenlampe gesehen? Damit sollte es eigentlich gehen... Vorsichtig richtete er sich auf. Ok, hier kam allerdings schon das erste Problem: Er hatte keine Ahnung, in welcher Richtung von seinem gegenwärtigen Standort der Schreibtisch lag.
Mit vorgestreckten Händen bewegte er sich in die Richtung, von der er glaubte, dass sie die richtige sein könnte. Irgendwann traf er auf eine Wand, also wohl doch nicht richtig. Aber zumindest konnte er sich an der Wand entlangtasten, was die Sache schonmal beschleunigte. Bis plötzlich...
"Auuuu! Verdammte Scheiße!"
Bis er sich plötzlich das Knie an einer scharfen Kante stieß. Sein Knie wurde prompt taub, und knickte unter ihm weg. Zum Glück konnte er sich noch am Tisch, den er auf diese Weise gefunden hatte, abstützen, aber dabei riss er versehentlich den Werkzeuggürtel herunter, und er konnte hören, wie sich der Inhalt über den Boden verteilte.
"Oh, verdammt!"
Ihm blieb wohl nicht anderes übrig, als sich auf den Boden zu begeben, und nach der Taschenlampe herumzutasten.
"Auuuuu!"
Sein angeschlagenes Knie war definitiv nicht davon begeistert, als er sich auf alle Viere begab. Mit Tränen in den Augen tastete er herum, fand alles Mögliche, aber, wie es nur logisch war, die Taschenlampe erst ganz zum Schluss, als er schon am überlegen war, ob es nicht schneller ginge, wenn er sich einfach hinlegte und auf das Ende seiner Haftstrafe wartete.
Er fummelt etwas an der Taschenlampe herum, bis er schließlich einen Schiebeschalter fand, ihn nach vorne schob - und immer noch im Dunkeln stand.
"Das darf doch nicht wahr sein!"
Wütend schüttelte er die Taschenlampe! Da ging sie für einen Moment an und sofort wieder aus. Von der Reaktion ermutigt holte er mit der flachen Hand aus und lies sie auf die Taschenlampe niedersausen. Und das Wunder geschah: Die Taschenlampe sprang tatsächlich an und leuchtete.
"Na also, es geht doch. Bringen wir das Ganze also endlich zuende."
Im Licht der Taschenlampe sammelte er den Schraubenzieher ein, und begab sich schließlich zu dem Panel. Er suchte die Schraublöcher, schob den Schraubenzieher hinein und dreht.
"Hä?"
Der Schraubenzieher lies sich problemlos drehen. Um genau zu sein, zu problemlos. Er fühlte absolut keinen Widerstand von der Schraube. Er versuchte ein anderes Loch - selbes Ergebnis. Was lief jetzt schon wider schief? So gut es ging, versuchte er mit der Taschenlampe in das Schraubloch hineinzuleuchten Nein, mit der Schraube war alles in Ordnung, eine ganz normale Schraub mit einem Schlitz in der Mitte. Dann ein Blick auf seinen Schraubenzieher. Nein, auch hier war alles in Ordnung, ein ganz normaler Schraubenzieher mit einer kreuzfömigen Spitze.
...
Moment...
Ein erneuter Blick auf die Schraube. Einer auf seinen Schraubenzieher. Schlitz. Kreuz. Schlitz. Kreuz.
"ARGH!"
Er hatte den falschen Schraubenzieher für diese Art von Schraube mitgebracht. Frustriert schleuderte er den Schraubenzieher in die Weiten des dunklen Raumes und begab sich zurück zum Tisch, um in dessen Umfeld nach dem richtigen Schraubenzieher zu suchen. Nach etwas weiterer Sucherei wurde er schließlich fündig. Diesmal einer mit flacher Spitze.
Nachdem er zum Panel zurückgekehrt war, spürte er diesmal, dass alles richtig lief. Die Schrauben waren nämlich ähnlich rostig wie der Schalter vorhin, und ließen sich nur drehen, wenn Leroy seine gesamte Kraft auf den Schraubenzieher konzentrierte. An diesem Punkt lief ihm der Schweiß bereits in Strömen am Körper herunter. Doch irgendwann hatte er es tatsächlich geschafft, sämtliche Schrauben zu lösen. Mit einem Ruck riss er das Panel herunter.
"Ok, B-32 bis B-56 war es..."
Darauf, sich die Nummern genau einzuprägen, hatte er vorsorglich geachtet. Und in dem Kasten war sogar alles ordentlich beschriftet. Endlich schien etwas an dieser Aktion zu funktionieren.
Er hatte gerade etwa die Hälfte der Schalter umgelegt, als die Taschenlampe anfing zu flackern und schließlich erlosch. Genervt schüttelte er sie etwas. Die Lampe bleib dunkel. Er hieb wieder mit der flachen Hand darauf. Keine Besserung. Er schlug sie gegen die Wand. Nichts.
"Du elendes Drecksteil!"
Ob nun die Batterien leer waren oder die Taschenlampe aufgrund der unsanften Behandlung endgültig den Geist aufgegeben hatte, auf jeden Fall bekam er sie nicht mehr an. Er spannte seine Armmuskeln an, und lies die Taschenlampe dem Kreuzschraubenzieher in den Raum hinein folgen. Er schnaubte befriedigt, als er hörte, wie irgendetwas klirrend zerbrach.
Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als im Dunkeln in dem Kasten herumzutasten. Nach etwas Herumgefingere fand er die Tasten, die er schon heruntergedrückt hatte. Vorsichtig fuhr er an ihnen entlang und zählte dabei mit.
"B-42, B-43..."
Ab hier waren die Schalter nichtmehr umgekippt, also betätigte er sie, während er weiterzählte.
"B-55, B-56... Ok, das müssten alle gewesen sein."
Er lies sich wieder auf die Knie sinken, sog scharf die Luft ein, als sein eines dabei wieder protestierte, und tastete nach der Abdeckung, die er hier irgendwo abgelegt hatte. Nachdem er sie gefunden hatte, hob er sie auf und versuchte sie irgendwie wieder anzubringen ohne sie oder den Kasten sehen zu können. Als er sie losließ und sie nicht direkt wieder hinunterfiel, betrachtete er auch diese Aufgabe als erledigt. Schrauben würde er in dieser Dunkelheit nicht anbringen können, und zudem hätte er selbst bei normaler Beleuchtung wenig Lust verspürt, nochmal einen solchen Gewaltakt, wie ihn das Herausschrauben dargestellt hatte, zu vollbringen.
Erschöpft wischte er sich den Schweiß ab. "Nur kurz den Strom ausschalten, einen Kontakt überbrücken und fertig." äffte er KILA nach. Er wusste nicht, wie lange das alles jetzt gedauert hatte, aber er schätzte, dass es mindestens eine Stunde gewesen war. Soviel auch zu KILAs Zusicherung, jemanden zu schicken, wenn sich hier in 10 Minuten nichts tat...
Ein letztes Mal spannte er seine Muskeln an, um den Schalter an der Seite wieder nach oben zu wuchten, und hoffte, dass gleich das Licht wieder anspringen würde.
Leroy ging seiner Aufgabe mit vielleicht nicht besonders viel Enthusiasmus, aber dafür mit umso mehr Herzblut entgegen. Im fahlen Schein der Notbeleuchtung, die vom Gewirr zwischen den Maschinen wirklich kaum bis zum dem Strompanel reichte, verrichtete er, mal mehr, mal weniger fluchend, sein Tagwerk. Er konnte ja nicht wissen, welche Auswirkungen das auf den restlichen Bunker haben würde...
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Während Boyle sich so unauffällig wie möglich durch die Besitztümer des nun toten Anführers wühlte, fiel ihm das leichte Flackern der Lichter gar nicht so genau auf. Mit den Fingern tastete er die Matratze entlang, klopfte über die Lüftungsschlitze an der Seite der Koje (wie er gelernt hatte, ein beliebter Ort, um allerlei Spannendes zu verstecken) und knetete das erbarmungswürdig dünne Kissen ordentlich durch. Aber...nichts. Nicht einmal die sonst so üblichen Fotos ließen sich in der erschreckend unpersönlichen Koje finden.
Irgendetwas hier stank. Nicht nur im übertragenen Sinne, aber das konnte auch an den Leichenflüssigkeiten liegen, die in der dünnen Matratze schon einige Flecken hinterlassen hatte, die Boyle großzügig ignorierte. Warum sollte der Anführer weiterhin hier in der kleinen Koje schlafen, wenn er von KILA die offizielle Freigabe für die Privatzelle im hinteren Teil der Düsterburg hatte? Was war an der Koje so besonders, dass er sie auf keinen Fall verlassen wollte? Boyle unternahm noch einen letzten Versuch. Mit einem Blick über die Schulter versicherte er sich, dass die junge Leona und ihr gruseliger Begleiter noch beschäftigt waren, schwang sich kurz aus der Schlafnische, und hob die Matratze hoch.
"Was haben wir denn hier..."
Die Unterseite der Matratze hatte einen großen Schlitz, der amateurhaft zusammengenäht worden war. Und in diesem Schlitz fand Boyle nicht nur einen Ring aus echtem Gold mit dem eingravierten Namen "Samuel Thatcher" (Anscheinend der Ehering des Verstorbenen, dem Namen nach zu schließen) sondern auch eine Flasche edlen Whiskey. Und zwar nicht den guten Moonshine aus der Hydroponik, der immer mal wieder in der Kantine herumging - echten Oberwelt-Whiskey. Richtig edle Sorte. Ein paar Schlucke schienen zu fehlen. Aber wer nimmt sich bitte Whiskey als Andenken an die Außenwelt mit in die Düsterburg?
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Die kleine Gruppe vor der Kücheneinheit zuckte zusammen, als das Licht plötzlich schlagartig ausging. Theo sprang mit einem leisen "Jesses" von der Wand weg, aber so schnell wie der Spuk begonnen hatte, so schnell endete er auch wieder - innerhalb von Sekunden sprangen die Lampen flackernd wieder an. Matt schaute verwundert nach oben, als sich auch schon die Lautsprecher knackend meldeten.
"Öhm, aufgepasst. Bewohner. Wir laufen gerade kurzfristig wegen Reparaturarbeiten auf Notstrom. Leroy Hoffmann aus der Industrie wartet gerade freundlicherweise die Anlagen, und ich habe einen Blick au seine Vitalwerte. Ich melde mich, soltle er plötzlich von uns gehen. Ich habe keinen Zugriff auf den Fortschritt, aber es sollte nicht lange dauern. Das Licht wird ein bisschen flackern, und es wäre nett, wenn ihr in den nächsten Minuten nicht die komplette Küchenausstattung hochfahrt. Ich sehe anhand der Energiespitzen, dass Mrs. Laureanne schon durch ist. Dann guten Appetit und lasst was für Mr. Hoffmann übrig, wenn er wiederkommt."
Und mit einem Knacken verabschiedete sich KILA wieder in die Stille.
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Einige Zeit später stemmte sich Leroy mit all seiner Kraft gegen diesen vermaledeiten Hebel, der mit einem Rucken wieder in die richtige Position einrastete. Für einen Moment dachte er schon, er hätte etwas falsch gemacht. Aber dann, mit einem Rumpeln sprang die Maschine hinter ihm an und flackernd erwachten die Leuchtstoffröhren über seinem Kopf wieder zum Leben. Und weil man in der Düsterburg auch nie auch nur eine Sekunde seine Ruhe hat...
"Leroy, wir sind wieder online! Grandios, die Systeme laufen auf den ersten Blick stabil, die anderen Stationen waren nicht betroffen, deine ..."
"Warum ist mit niemand helfen gekommen?"
"Was?"
"Warum ist mit niemand helfen gekommen? Du hast gesagt, du schickst jemanden nach 10 Minuten."
"Ich... ich hatte deine Vitalwerte im Blick. Du warst ein bisschen aufgeregt, aber es schien ja zu laufen?"
"...."
"Wie auch immer, Mr. Superhandwerker, du hast die Aufgabe mit Bravour erfüllt. Die Stromspitzen sollten jetzt abnehmen, von hier an kann ich alles koordinieren. Sag mal...ich habe gehört, wir haben eine freie Stelle als Industrieleiter... Lust auf eine Privatzelle?
Wenn der vergleichsweise normale Kerl, der ihr zur Hilfe gekommen war, ihre Unsicherheit weckte, so ließ Dr. Tod alle Alarmglocken in ihr läuten. Nicht nur sein Name, der in Anbetracht der Umstände wohl entweder unglücklich oder erschreckend zutreffend war, sorgte dafür, dass der Floristin ein kalter Schauer über den Rücken lief, als er urplötzlich da stand und sie ansprach. Mehr hätte sich die 21-Jährige wohl nur gegruselt, wenn der Anführer selbst sich erhoben und das Wort an sie gewandt hätte.
Wie wenig ihr die Anwesenheit des furchterregenden Mannes gefiel, sah wohl auch der Unscheinbarere, als er Leona wissend ansah. Kurz darauf hatte sie für einen Moment noch größere Angst, da dieser sich erhob und sie glauben ließ, er würde sie mit dem Schauerlichen allein lassen. Doch er kletterte zumindest nur die Leiter hoch und untersuchte das Bett des Toten, blieb also in unmittelbarer Nähe. Mitten am Tag war hier ja sowieso noch niemand gestorben, oder? Zumindest eine Weile nicht mehr...
Sie blickte für den Rest der scheinbar erfolglosen Untersuchung starr auf die Leiche, um keine Blicke mit dem Doktor austauschen zu müssen. Doch schließlich gestand Leona sich ein, dass sie nichts finden würde und wollte gerade vom Körper ablassen als eben doch etwas ihren Blick fing. Sie näherte sich noch immer hockend der Stelle, die ihre Neugier weckte: Dem Finger des Verstorbenen, und besah ihn sich. Hatte jemand ihn gequetscht? Oder war hier vielleicht etwas injiziert worden? Womöglich hat er auch nur einen zu engen Ring getragen, aber... das würde doch kaum seinen Tod verursacht haben?!
Während sie also überprüfte, was es mit dem Finger auf sich hatte, teilte sie ihren Fund schon mal mit den beiden Anwesenden. Natürlich ohne vor allem Dr. Tod dabei anzusehen. Sie sprach mehr in den Raum, ohne den Blick von ihrem Fund ab zu wenden. "Irgendwas ist mit seinem Ringfinger."
"Gift, was soll sonst am Finger sein? Sieht man doch!"
Er kicherte. "Nun ja, hin ist hin, also müssen wir nen neuen Boss wählen, bis zum Essen haben wir eh noch etwas Zeit."
Wozu also lange rumjammern? Tod war Tod und blieb Tod. Nun ja, außer er hatte sein Labor zur Hand. Zumal es um dieses Drogenetwas eh nicht schade war.
"Nicht dass dieser Fraß es wert wäre, Essen genannt zu werden."
Boyle starrte den Whiskey eine Weile lang an, bevor er den Verschluss abschraubte und vorsichtshalber daran roch. Wenn das hier wirklich das war, was drauf stand, was er inständig hoffte, war das so ungefähr der Jackpot. Das Beste, was er seit Monaten in die Finger bekommen hatte. Und kaum berührt.
Irgendwie merkwürdig - wer nahm sich nicht nur Whiskey als Andenken mit, sondern trank ihn auch so sparsam, dass nach einiger Zeit noch so viel davon übrig war?
Nun, vorsichtshalber verstaute er die Flasche erst mal sicher in seiner eigenen Koje, bevor er sich Gedanken über das weitere Vorgehen damit machte. Den Ring steckte er nicht dazu. Der eingravierte Name machte das Ding irgendwie persönlich, was er nicht unbedingt in seinem Schlafzimmer mochte. Sicher, es war jetzt genau genommen sein Ring, weil es definitiv nicht stehlen war, wenn der Vorbesitzer tot war,... aber es hatte doch eine irgendwie ungute Note.
Als Lionel sich noch etwas gedankenverloren zurück auf den Weg zu den beiden anderen machte, sah das Mädchen sich gerade die Hand des Toten an. Also, von Thatcher. Meine Güte, er hatte sich nicht mal wirklich um den Namen von den Kerl gekümmert, als er ihn vor drei Tagen zum Anführer gewählt hatte. Beziehungsweise hatte er einfach genickt, weil es ihm wirklich herzlich egal war, wer das Sagen hatte. In diesen Tagen war das nicht mehr so bedeutsam wie früher. Den Namen der kleinen Blonden kannte er auch nicht. Sie hatte noch nie mit ihm Geschäfte gemacht.
"Irgendwas ist mit seinem Ringfinger.", hörte er ihre Stimme nun, da er näher kam.
"Gift, was soll sonst am Finger sein? Sieht man doch!" Ein beunruhigendes Kichern untermalte die Worte von Dr. Tod.
Boyle warf neugierig einen Blick auf den Finger der Leiche und wusste nicht, was er dazu sagen sollte, außer dass es jetzt doch irgendwie auffiel, dass an der Hand etwas nicht in Ordnung war - nun, nachdem jemand anderes darauf hingewiesen hatte.
"Ist es Gift?", fragte er das Mädchen murmelnd, während der Doktor plötzlich von einem neuen "Boss" und Essen sprach. Was für ein wankelmütiger Kerl. Dabei hatte er erst so interessiert gewirkt... vielleicht störte Tod, dass die Kleine vor ihm an der Leiche herumgefummelt hatte.
Mit einem leicht dreckigen Grinsen wartete Boyle auf die Antwort der Blondine und fühlte den Ring von Thatcher dabei immer noch in seiner geschlossenen Hand.
Während Boyle die Leiter wieder nach unten kletterte, nahm er einen tiefen Zug aus der Whiskeyflasche. Das war ein Geruch, den er schon LANGE nicht mehr gerochen hatte. Perfekt gereift, bestimmt uralt und wirklich hochwertig. Für seine Nase roch es definitiv nach einem richtig guten, teuren Whiskey, der selbst für Normalsterbliche in der Oberwelt eine Spur zu teuer war.
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Leona, immernoch leicht verunsichert von der Anwesenheit des Doktoren, blickte noch angestrengter auf den Ringfinger von Thatcher. Man konnte kaum etwas erkennen - der Finger war leicht geschwollen, der Nagel bog sich schon nach oben und mit jeder Minute wurde es schwerer, die schwere Hand so zu bewegen, wie sie es wollte
"Einsetzende Leichenstarre" murmelte der Doktor schwer atmend.
Die junge Frau tat ihr bestes, das schwere Atmen in ihrem Nacken auszublenden. Da...unter dem Nagel... war das getrocknetes Blut? Ihren Ekel überwindend kratzte sie ein wenig davon ab - und fand tatsächlich eine mikroskopisch kleine Einstichstelle.
"Ist es Gift?"
Leona blickte sich um und sah Boyle an, der wieder hinter ihr aufgetaucht war. Ein schwaches Nicken.
"Ich... denke schon?" Hier ist eine Einstichstelle im Finger."
"Eine..."
"Eine WAS?"
KILA meldete sich krachend zu Wort.
"Ich wollte gerade durchgeben, dass die Wartung vorbei ist, aber habe ich da gerade "Einstichstelle" gehört?"
"Wir denken schon."
"Das ist ja fantastisch!"
KILAs Jubel stieß auf keine so richtige Gegenliebe.
"Ich meine, versteht ihr nicht, was das heißt? Wir haben bisher noch keinen Anhaltspunkt gehabt, aber das...das ist der erste Hinweis, WIE diese Arschlöcher euch alle umbringen. Wie? WO?"
"Im Finger, direkt unter dem Nagel."
Eine kurze Pause entstand.
"Alles klar, dann ändern wir den Plan. Bringt Mr. Thatcher nicht zur Verbrennungsanlage... mit ein bisschen Glück können wir herausfinden, was für ein Gift es ist, wo es herkommt, und ob wir ein Gegenmittel haben. Bringt ihn zur Medizinstation, direkt hinter der Hydroponik. Ich sehe, was ich tun kann."
Erie war an sich recht zufrieden mit ihrem bisherigen Tagwerk und machte sich auf in Richtung der hydroponischen Farm.
Da KILA darauf bestand, die riesige Farm weiterhin in Schuss zu halten, wurde es jeden Tag mehr Arbeit, da sie durch die seltsamen Umstände ja immer weniger Leute wurden, die sich um die Bewirtschaftung kümmern konnten.
Als eine Frau, die die letzten gut 15 Jahre immer Personal um sich herum gehabt hatte, dachte sie, dass es sie mehr stören würde, selbst und alleine um ihren Unterhalt sorgen zu müssen, doch mit dem Wissen, dass sie hier nie wieder rauskommen würde, hatte sich eine Art gottgewollt friedliche Resignation eingestellt.
Der Garten, den sie mit einigen der Mithäftlingen teilte, war ihre persönliche kleine Quelle der Freude und des Friedens.
Wenn man sich die dunklen Stahlwände weg dachte und die Augen schloss, so konnte sich dank des Kräuterduftes und des hell strahlenden, doch kalten, UV-Lichtes fast so etwas wie die Illusion eines kalten Frühlingstages an der Oberfläche einstellen.
Als die Französin endlich am Garten ankam, blickte sie wehmütig auf die verbogenen Kupferrohre, die schon seit Monaten hier lagen und die vielleicht eines schönen Tages eine funktionierende Sprinkleranlag hätten werden sollen - wenn sie nicht zu viele Leute verloren hätten.
Also schnappte sie sich schnaufend die Gießkanne und drehte den Hahn auf, der immer wieder Wasser hervorzauberte und begann, die Pflanzen vorsichtig zu gießen.
Danach warf sie die Küchenabfälle in den Kompost und roch daran. Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich: Der Kompost brauchte dringend wieder etwas besonderen Dünger.
Und das bedeutete, sie musste irgendjemand finden, der sportlich genug war, sich bei der Toilette in den engen Ablüftungsgang zu zwängen und eine gute Schaufel voll zu bergen. Und zwar bevor KILA die automatische Absaugung würde starten können...
Geändert von Daen vom Clan (21.02.2017 um 23:44 Uhr)
"...was ich tun kann ...!", äffte Dr. Tod KILA nach. "Zu feige um hierher zu kommen, und wir sollen die Leiche durch die Gegend spazieren? Sonst noch Wünsche? Vielleicht sollen wir dir ein paar Möhren dünsten? Oder einen Frosch grillen, dem wir Möhren in den Hals rammen? Ne, du kommst mal schön hier her, wenn du die Leiche untersuchen willst. Denn ich kann das genau so gut und bin mir nicht zu fein, mich zu zeigen."
Ja, er mochte KILA nicht. Wieso sollte er auch?
"Und es ist ein echt TOLLER Hinweis, dass es Gift ist. Da man hier quasi an jeder Ecke Spritzen bekommt, in der Küche und Co genug Gift, ist hier jeder ebenso verdächtig, wie unverdächtig. Immerhin würde ich Fräulein Leona als Täterin ausschließen. Sie wirkt einfach zu ängstlich, zu ... verzeihen Sie mir, meine Liebe ... zu ... schwach. Nein, so eine zarte junge Frau kann es nicht gewesen sein."
Und wenn doch, nehme ich dein Hirn mit Freude auseinander!, dachte er, und seufzte. Das Mittagessen würde also, wie so oft, nicht pünktlich stattfinden.
"Und ihr anderen... rührt den Ring nicht an! Das Gift ist ziemlich hochdosiert und mit Pech ist es ein Kontaktgift, dass erst nach einigen Stunden wirkt. Und wenn es per Injektion erfolgt ... nun, dann hat der Ring eine kleine tödliche Nadel. Oder es ist beides, oder am Ende werden wir nur genarrt und es ist etwas vollkommen anderes, aber immerhin: es war Gift."
"Sag mal...ich habe gehört, wir haben eine freie Stelle als Industrieleiter... Lust auf eine Privatzelle?"
Ob er Lust auf eine Privatzelle hatte? Hätte KILA einen Körper gehabt, hätte er sie in disem Moment geküsst. Eine Beförderung war nach einer vorzeitigen Haftentlassung so ziemlich die beste Nachricht, die man hier unten bekommen konnte. Natürlich wollte er. Privilegien, die Möglichkeit, andere für einen arbeiten zu lassen, möglicherweise sogar ein Minimum an Respekt von seinen Mitgefangenen. Wen interessierte es da noch, dass er sich die letzte Stunde über zum Affen gemacht hatte? Er hätte sogar jemanden umgebracht, um an eine solche Position...
Moment...
Er versuchte sich kurz vorzustellen, wie seine Beförderung aus der Sicht eines Beobachters wirken würde:
Nachdem es in letzter Zeit zu einem Haufen mysteriöser Todesfälle gekommen war, stieg Leroy Hoffmann, der bisher in der Gefägnishierarchie irgendwo zwischen einem benutzten Blatt Toilettenpapier und einer Kakerlake im Mittagessen rangiert hatte, plötzlich zu einer durch einen der Todesfälle frei gewordenen begehrten Position auf, weil er, natürlich rein zufällig, als Einziger zur richtigen Zeit am richtigen Ort war...
Da konnte er sich ja henausogut gleich mit seiner eigenen Bettwäsche erhängen!
Allerdings hatte er keine Lust, darüber mit KILA (und ganz besonders ihrer neuen Version) zu reden.
Daher sagte er: "Gib mir ein paar Tage Bedenkzeit, ok? Du hast ja ohnehin selbst gesagt, dass es im Moment nicht viel zu tun gibt, weil nur noch so wenige Leute da sind... Oh, und es wäre sehr freundlich, wenn du die mögliche Beförderung nicht an die große Glocke hängen würdest, bis ich mich entschieden habe."
Für Heute würde er erstmal seinem ursprünglichen Plan folgen, und sich etwas "sozialisieren", um seine Überlebenschancen in den nächsten Tagen zumindest ein bisschen zu erhöhen. Er blickte an sich herunter. Korrektur. Als allererstes würde er duschen gehen, alles andere war erstmal aufgeschoben. Seufzend machte er sich auf den langen Rückweg zu den Quartieren.
Die Anwesenheit des Doktor wurde nicht gerade... einfacher. Auf der einen Seite die Kommentare, dann die Vorwürfe und Tiraden gegen KILA. Mittendrin die... Entlastung von Leona. Sie wusste nicht, ob sie ausgerechnet von ihm entlastet werden wollte. Nicht, dass er in der Hinsicht Unrecht gehabt hätte. Doch die Art wie er scheinbar jeden seiner Gedanken spontan mit der Umwelt teilte, war ihr nicht geheuer.
Zugegeben: Ihr war hier nichts so wirklich geheuer. Vielleicht auch KILA nicht. Doch weder war die Lautsprecherstimme in irgendeiner Weise besonders verdächtig, noch würde die 21-Jährige einen Verdacht laut heraus posaunen, sollte er noch unbegründet und nur ein Gefühl sein. Dass Dr. Tod ernsthafte Beweise - oder auch nur Indizien - hatte, die das Misstrauen gegenüber der vermeintlichen KI begründen würden, glaubte die Floristin nicht.
Noch hockte sie neben der Leiche, den Finger in der Hand, so wie in dem Moment in dem sie der Stimme aus den Lautsprechern gesagt hatte, um was für eine Einstichstelle es sich handelte. Sie hatte sich bisweilen nicht getraut, die Position zu verlassen. Doch langsam wurde diese unangenehm. Und sie wollte der sinnvollen Anweisung durchaus gerecht werden, im Gegensatz zu ihrem gruseligen Mitstreiter.
In einem kurzen Moment des Mutes räusperte sich Leona. Im nächsten hätte sie das lieber nicht getan, doch dafür war es dann zu spät. Und es musste nun mal gesagt werden.
"Ähm... Herr Doktor... Tod? Ich... möchte Ihnen nicht widersprechen, aber... es wäre vielleicht wirklich sinnvoll, wenn wir... den Körper in der Medizinstation untersuchen. Immerhin sind wir diejenigen, die... womöglich darunter leiden, wenn wir das nicht tun. Und... und wenn KILA uns an der Nase herum führen sollte - was ich nicht glaube -, dann... naja, dann wären wir wohl ohnehin verdammt, oder? Sie ist draußen und wir drinnen. Und wir kommen nicht heraus, wenn das niemand von draußen veranlasst. Also... wäre es... vielleicht... nicht schlecht, wenn wir ihr einfach vertrauen und hoffen, dass sie auf unserer Seite ist. Das hilft uns mehr als... nichts zu tun."
Ihre Worte kamen nur sehr zögerlich hervor. Zwar war sie vollkommen überzeugt von dem was sie sagte, doch auch eingeschüchtert von der reinen Präsenz des furchtsamen Mannes. "Aber wenn Sie das anders sehen, müssen Sie nicht mithel- also... Sie müssen natürlich sowieso nichts tun", stammelte sie weiter. "Jedenfalls würde ich die Leiche gerne zur Untersuchung bringen. Ich schaffe das nur nicht alleine und bräuchte jemanden..." - ihr Blick wandte sich dabei eindeutig vom Doktor ab und lag kurz darauf auf dem Mann, der zuvor von der Leiter zam Bett des Toten gestiegen war - "Jemanden, der mir hilft...?"
"Nun, ich helfe Ihnen gerne. Auch wenn ich es für eine dumme Idee halte ..."´, sagte der Doktor und hob die Leiche an.
Dann wandte er sich an Leona. "Vertrauen? Ich vertraue uns hier uns, aber keiner ... Person, die man nie sieht! Das Vertrauen, dass muss sie sich erst verdienen.
Und lassen sie ruhig das Doktor weg, denn hier unten sind wir alle gleich.
"Vertrauen? Ich vertraue uns hier uns, aber keiner ... Person, die man nie sieht! Das Vertrauen, dass muss sie sich erst verdienen.
Leona sah es etwas anders. Sie misstraute vor allem den Personen, die sie sah. Vorausgesetzt sie sahen so aus und verhielten sich so wie... Herr Tod. Noch dazu hatte sich keiner von den Insassen der Düsterburg in irgendeiner Weise ihr Vertrauen gewonnen, nicht mehr als KILA.
Auch wenn es ihr missfiel: Der Doktor bot seine Hilfe an und sie würde diese nicht ausschlagen. Weder war sie so undankbar, noch traute sie sich überhaupt, weitere Widerworte zu geben. Immerhin war unmöglich zu sagen, was passierte, wenn bei jemandem wie ihm der Geduldsfaden riss. Alle hatten hier etwas auf dem Kerbholz. Bei manchen war das sicherlich etwas Harmloses, doch er machte nicht den Eindruck, als wäre das bei ihm auch der Fall.
"D-danke", erwiderte sie dazu und hielt sich kurz. Behutsam griff sie dann nach der Schulter des Toten und wollte ihre Finger unter seine Achseln legen, was sich schwieriger gestaltete als anfänglich vorgestellt. Die Totenstarre erschwerte diesen Griff und vor dem Doktor kam sie sich dumm vor, daran nicht gedacht zu haben. Sie hoffte nur, dass er geduldig blieb und Nachsehen hatte. Immerhin fummelte Leona nicht jeden Tag an einer Leiche herum.
Mit etwas mehr Kraft gelang es ihr dann, die Finger zwischen Oberkörper und Arm zu drücken. Doch das Anheben stellte die nächste Schwierigkeit dar. Wenige Zentimeter brachte sie den oberen Teil des toten Körpers nach oben, doch schon das war mit erheblichen Anstrengungen verbunden, während der Doktor die Beine - und damit auch den Po sowie den unteren Rücken - des ehemaligen Anführers ohne Probleme halten konnte. Sie ließ den Körper hinab und wandte sich wieder einmal an den zweiten Mann in der Konstellation, die sich um sie und die Leiche gesammelt hatte.
"Es tut mir Leid, aber... können Sie vielleicht...?"
"Ein weiterer, unnötiger Toter. Was meinen Sie Mr. Foster?" Naja, ein Arsch war er ja schon...
Matt musste den Gedanken einfach bei sich behalten. Er wusste zwar, dass hier einer nach dem anderen aktuell den Löffel abgab aber fuck it, was sollte ihn das noch groß kümmern? Der Moment in dem er hier zur Haft verknackt wurde war doch gleichzusetzen mit dem Tod. Was war das Leben schon wert, wenn man nur noch die kalten Mauern um sich herum hatte und die Freiheit ein nicht mehr zu erreichendes Ziel war?
Das einzige worauf er hoffen konnte wäre der Sturz der Nation gewesen. Aber, seien wir mal ehrlich, dazu würde es eh nie kommen.
"Der Shit ist echt tragisch. Ich mein, ich versuch einfa..."
Von der ein auf die andere Sekunde gingen alle Lichter aus und die Drei standen im Dunkeln.
Theo zuckte vor lauter Schreck zusammen und boxte Matt mit dem Ellbogen leicht in die Seite.
"Yo man, bisschen vorsichtiger..."
Als die Lichter wieder ansprangen schaute er seinen beiden Gesprächspartnern in die Augen und schaute kurz zur Decke. Die flackernden Leuchtstoffröhren flimmerten noch ein paar Male, ehe Sie sich wieder gefangen hatten.
Dann hörte er wieder das laute knacken der Lautsprecher als Babe-KILA irgendwas von Reparaturen und Energiespitzen und so nem Kram laberte.
"Damn Girl. Sag mir doch vorher Bescheid wenn du mir die Lichter ausknipst. Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber... ne?"
Sein Blick richtete sich wieder auf Robert.
"Yo, also. Was ich sagen wollte. Ist halt mega scheiße. Aber ich hab aufgehört mich damit zu beschäftigen. Ich mein, seriously, wir haben doch eh keinen Plan was da vor sich geht. Deswegen sitz ich auch jeden Tag so scheiße früh in der Küche. Hauptsache irgendwas machen und nicht mehr mit Dingen beschäftigen bei denen ich sowieso nicht weiterkomme."
Matt verschränkte die Arme und rollte mit den Augen. Der Mist war irgendwie doch zu hoch für ihn. Verdammt, er war kein Detektiv. Er hat die meiste Zeit seines Lebens mit Gelegenheitsjobs verbracht und versucht so viele Frauen wie möglich abzuschleppen.
"Aber das "Protokoll"..." und Matt setzte dies betont affig in Klammern "...verlangt ja, dass wir jetzt irgendwen neues finden der den Laden hier schmeißen will. Was auch immer das heißt. Außer mein Babe hat das auch über Bord geworfen."
Boyle war überrascht, als KILA sich einschaltete – er hatte vor lauter Freude über den Whiskey für einen Moment vergessen, dass sie theoretisch alles mitbekam. Außerdem war sie, seit es diese neue Version von ihr gab, doch deutlich involvierter als früher. Zumindest wirkte es so, was aber vielleicht an dem vielen Plappern und dem lockereren Wortschatz lag.
Noch überraschter war Boyle allerdings, als Tod im Zuge seiner verärgerten Rede an die KI einen Ring erwähnte. "…Das Gift ist ziemlich hochdosiert und mit Pech ist es ein Kontaktgift….
Lionel sah flüchtig zu dem toten Thatcher und stellte fest, dass er definitiv keinen Ring trug, den er selbst übersehen hatte. Aber das kleine Schmuckstück, das nun ihm selbst gehörte, war immer noch definitiv in seiner geschlossenen Faust. Wie, zum Teufel, konnte Tod bitte davon wissen? Oder befand er sich in irgendeinem Delirium? Eine Nadel am Ring, die unter dem Nagel einstechen sollte klang ziemlich nach Delirium. Außerdem war „Fasst den Ring nicht an“ eine etwas späte Warnmeldung dafür, dass das Ding nirgends anders gewesen war, als in seiner Hand.
Boyle war viel zu verwirrt von alledem, so dass er viel zu langsam schaltete, als die kleine Blonde um Hilfe bat und ihn für ihre Verhältnisse eindringlich ansah. Selbst er kapierte, dass sie offenbar nicht von dem Doc unterstützt werden wollte, aber der eilte quasi zu dem toten Körper und fing zu allem Überfluss noch irgendein Süßholzgeraspel an. "...Und lassen sie ruhig das Doktor weg, denn hier unten sind wir alle gleich." Oh Gott. Boyle hätte definitiv etwas gesagt, wäre Tod nicht in seiner Eile zu helfen an die Beine von Thatcher getreten und hätte diese schon voller Tatendrang in die Höhe gehoben. Das war zu gut, als dass man es sich nicht in Ruhe ansehen musste - der Kerl ließ das zierliche Mädchen den Teil schleppen, der definitiv schwerer zu fassen war. Aber hey, sie hatte immerhin darum gebeten, ihr beim Transport zu helfen und nicht, dass jemand völlig anderes die ganze Arbeit übernehmen sollte.
Grinsend steckte Boyle die Hände in die Hosentaschen und wartete ab. Dabei ließ er den Ring hineingleiten, nicht ohne einen misstrauischen Blick auf den Doc. Wenn er von dem kleinen Ding wusste, was wusste er noch?
Apropos kleines Ding, die Blondine hatte erst ihre Schwierigkeiten damit, überhaupt ordentlich zuzugreifen, und dann dauerte es eine gute Weile, bis Oberkörper und Kopf vom Boden abhoben... für ungefähr drei Sekunden. Der Doc hatte überraschenderweise eine Engelsgeduld und hatte sogar darauf verzichtet, seine wirren Gedanken mit irgendjemandem zu teilen, was irgendwie enttäuschend langweilig für diese Präsentation war. Außerdem ließ das Mädchen Thatcher nicht etwa mit einem dumpfen Geräusch wieder zurück auf den Boden knallen, sondern legte ihn relativ sanft wieder ab, bevor sie Boyle ansah.
"Es tut mir Leid, aber... können Sie vielleicht...?"
Er zuckte mit den Schultern und deutete der Kleinen, Platz zu machen. Ein bisschen war er aber sogar beeindruckt - sie hatte immerhin nicht gleich aufgegeben und es versucht. Traute man ihr gar nicht zu.
"Na, na,... wir sind hier unten vielleicht alle gleich, aber offensichtlich nicht gleich stark.", musste er irgendeinen dummen Spruch loswerden, der ihm beinahe im Hals stecken blieb, als er seinerseits versuchte, einen guten Griff zu finden. Jaja, seit seinen Tagen als Sicherheitsbeamter hatte seine Kraft hier unten schon etwas nachgelassen. "Und auch nicht gleich alt. Ist sie nicht etwas jung für dich,...äh... Tod?", fügte er schließlich hinzu, als er mit einem leichten Ächzen endlich seinen Teil der Leiche hochhob. "Bist du sicher, dass du überhaupt schon volljährig bist?", fragte er das Mädchen dann grinsend, nickte dann aber dem Doc zu, dass es losgehen konnte.
So schleppten die beiden ungleichen Männer den neuesten Toten langsam aus dem Schlafbereich in Richtung Medizinstation.
Der plötzliche Stromausfall hatte Robert einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dann nicht.
"...Hauptsache irgendwas machen und nicht mehr mit Dingen beschäftigen bei denen ich sowieso nicht weiterkomme." Das Matt nicht die Art Person war, von der man erwarten konnte den entscheidenden Hinweis zum festsetzen eines Mörders zu liefern war Robert schon nach wenigen Minuten in seiner Gegenwart klar geworden, aber das der junge Mann so gleichgültig war?
"Aber das "Protokoll" verlangt ja, dass wir jetzt irgendwen neues finden der den Laden hier schmeißen will. Was auch immer das heißt. Außer mein Babe hat das auch über Bord geworfen."
"Nein Mr. Foster, ich meine mich zu erinnern, dass KILA etwas von einer neuen Wahl gesagt hat." Robert schien kurz in Gedanken verloren, wandte sich dann aber wieder seinen beiden Gesprächspatnern zu.
"Auch wenn ich mich nicht dazu in der Lage sehe, irgendjemanden der hier Inhaftierten gut genug bewerten zu können um ihm oder ihr solch eine Position zuzuteilen.
Dr. Tod grinste Boyle wissend an. Es war einer der "Ich weiß was du getan hast-Blicke".
"Zu jung, Boyle? Kann es sein, dass sie Leona in IHR Bett bekommen wollen? Mir sind solcherlei Gedanken fremd. Ich sehe es als meine Pflicht an, das junge Fräulein vor den alten Säcken zu beschützen. Sie gehört nicht hierher."
Währenddessen schleppen er und Boyle den Toten munter durch die Gegend. Gedanklich war er aber in seinem Labor und untersuchte Boyles offenliegendes Gehirn. Aber leider nur in seinen Gedanken.
"Wenn man einmal eine Schubkarre brauchen könnte!", sagte der Doktor und sah Boyle an. Dann kicherte er erneut. Nun, denn ... viel Spaß, KILLER. Ähm ... KILA. Aber ob du wirklich etwas rausfindest?
"Gib mir ein paar Tage Bedenkzeit, ok? Du hast ja ohnehin selbst gesagt, dass es im Moment nicht viel zu tun gibt, weil nur noch so wenige Leute da sind... Oh, und es wäre sehr freundlich, wenn du die mögliche Beförderung nicht an die große Glocke hängen würdest, bis ich mich entschieden habe."
"Wenn du meinst. Ich habe den anderen nur gesagt, DASS du die Stromversorgung reparierst. Wenn du dich entschieden hast, sage Bescheid - dann schalte ich dich für die Privatzelle frei. Für heute Nacht ist es vielleicht eh besser, wenn ihr alle zusammen im Aufenthaltsbereich bleibt."
KILAs Worte hallten blechern durch den überdimensionierten Industriebereich, der sonst trommelfellzerfetzend laut gewesen war. Es war fast schon gruselig, dass die Maschinen nicht mehr surrten, als Leroy an ihnen vorbei ging. Mache schienen nun sogar komplett vom Stromnetzwerk getrennt zu sein. Als er die Tür zur Hydroponik öffnete, trat er wieder in eine andere Welt. Die Lichter hier waren viel heller, und auch die Gänge waren viel heller beleuchtet als in der Industriestation. Hatte er gerade vielleicht den ganzen Bereich hinter der massiven Stahltür vom Hauptstromnetz getrennt?
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Matt hatte immer einmal wieder einen Blick in die Kameras geworfen, die überall in den Gängen hingen. Es war schon merkwürdig - es war fast so, als würde KILA bewusst nicht darauf reagieren, wenn ÜBER sie gesprochen wurde. Auch, wenn sie definitiv immer zuhörte. Schließlich schaltete sie sich regelmäßig in Gespräche ein, die sich um den Zustand des Bunkers drehten und gab mal mehr, mal weniger direkte und hilfreiche Anweisungen. Aber jetzt blieb sie geradezu erschreckend ruhig.
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Boyle und Dr. Tod schleppten ihren ehemaligen Anführer recht problemlos durch die weiten Gänge, die Quartiere und Aufenhaltsbereich miteinander verbanden. Leona folgte ihnen etwas unschlüssig. Und wieder kam man nicht umher zu bemerken, dass die Düsterburg für enorme Menschenmassen ausgelegt war. Jetzt, mit nur noch einer knapp zweistelligen Anzahl an Bewohnern, wirkten die Gänge regelrecht überdimensioniert. Und auch der Aufenhaltsbereich stand dem in nichts nach. Der große, runde Raum hatte eine Kuppel aus massivem Stein und bot Sitzplätze für locker 500 Personen. Selbst zu Hochzeiten, bevor das Morden anfing, konnten diese Plätze nicht gefüllt werden. Jedes Geräusch echote tausendfach durch den riesigen, offenen Raum. Tods Schnaufen, Boyles schwere, bestimmte Schritte, selbst das leise Rascheln von Leonas Kleid an ihren Beinen schien sich in dem Raum zu verlieren. Das von Erie schön hergerichtete Buffet an der Nordseite des Aufenthaltsbereichs duftete nur zu gut, aber trotzdem hing noch ein anderer Geruch in der Luft.
Die gespenstische Stille der Düsterburg wurde von Matts nonchalantem Lachen durchbrochen, welches dem jungen Mann aber schnell im Halse stecken blieb, als die Prozession an ihm vorüberzog. Leona hatte dem alten Thatcher noch ein kleines Stück seines Kissenbezugs über das Gesicht gelegt, aber trotzdem war die steife Gestalt ein schauriger Anblick. Und Tods gelegentliches Kichern machte es nicht unbedingt besser.
Der Medizinbereich lag noch hinter der Hydroponik und war durch einen Vorhang von dem Gang abgetrennt, der zum Industriebereich führte. "Bereich" war vielleicht auch ein wenig hoch gegriffen - es war ein kleiner Raum, in dem zwei Liegen standen. Ein roter Erste-Hilfe-Kasten hing an der Wand, war aber nach Jahren der Nutzung schon gut geplündert und beinhaltete nur noch eine kleine Schere und den kläglichen Rest einer Mullbinde. In der Düsterburg wurde man nicht krank. Genau genommen fragte sich Boyle gerade, wann er das letzte Mal einen Schnupfen oder eine Erkältung hatte - das musste vor seiner Inhaftierung gewesen sein. Der einzige Grund, diesen Bereich aufzusuchen, waren Unfälle, oder andere medizinische Notsituationen. Meistens gab es aber keine Ärzte unter den Inhaftierten - und so konnte eine simple, leichte Blinddarmentzündung schnell zum Todesurteil werden.
Boyle und Tod hieften den toten Körper von Thatcher auf die rechte Liege, und kaum, dass Leona den Fuß des Toten sanft auf die Liegefläche geschoben hatte, sprang das Licht an dem Bedienelement an, das seitlich an dem Bett angebracht war.
"Wenn einer von euch so freundlich wäre, den Magnetsensor an seinem Chip zu befestigen...?"
Bei der Einlieferung in der Düsterburg hatte jeder von ihnen einen Metallchip unter die Haut transplantiert bekommen. Man konnte den kleinen Fremdkörper am Schlüsselbein ertasten, und auch eine kleine Narbe zeugte von der Existenz des Chips. Über diese Schnittstelle konnte man im medizinischen Bereich Messwerte auslesen - Blutdruck, Herzrate, Allgemeinzustand. Aber in ihm befand sich auch das Damoklesschwert, das über jedem Gefangenen schwebte - der Chip hatte auch eine Selbstzerstörungsfunktion, die an das Herz des Häftlings gekoppelt war. Ein Tastendruck von KILA, und sie wären tot. Genau so funktionierte die tägliche Hinrichtung, seitdem sie sich auf diese Methode geeinigt hatten. Der Chip saß auch bei Thatcher zwischen linker Schulter und Brustbein, verborgen von dem Stoff der alten Arbeiteruniform, die der Mann hier unten trug, seit er inhaftiert worden war. Thatcher galt als bescheidener Mann. Die Inhaftierten konnten einmal im Jahr neue Kleidung anfordern, die aus ihren Besitztümern entnommen wurde - aber Thatcher hatte das, trotz jahrelanger Haft, nie in Anspruch genommen. Wollte er seinen Vorrat schonen oder hatte er einfach keine Ersatzkleidung?
Mit spitzen Fingern zog Leona den Ausschnitt des Mechanikeranzugs zur Seite. Der Chip leuchtete leicht unter Thatchers Haut. Normalerweise konnte man das Licht nicht sehen, aber die leblose, helle Haut des Toten war wie aus Papier. Mit einem kurzen Handgriff zog sie das Kabel aus dem Bedienelement und drückte es an den Chip. Selbst durch die Haut konnte sie spüren, dass der Magnet haftete.
"Ah, perfekt, vielen Dank! Ich... ich könnte versuchen ein Blutbild zu ziehen, vielleicht finde ich Hinweise auf Gift. Das wäre zumindest logisch, wenn ihr wirklich eine Einstichstelle gefunden habt. Auch wenn ich eigentlich..."
KILAs Stimme wurde leise. Verschwörerisch leise.
"...eigentlich... darf ich keine staatlichen Ressourcen mehr nutzen... für euch... Sie haben euch aufgegeben, wisst ihr? Aber ich schaue, was ich tun kann. Ich könnte... ich könnte die Rechenleistung für das große Blutbild und die Auswertung über einen externen Server laufen lassen... Das dauert dann nur ewig. Aber am Ende wissen wir vielleicht endlich, welches Gift es war. Ich informiere euch. Danke. Ihr könnt wieder zu den anderen gehen. Und vergesst nicht die Wahl. KILA out."
Es wurde leise. Nur das leise Summen des Bedienelements mit dem Kabel, das unter Thatchers Anzug reichte - das blieb.