Das Spiel ist (wie die meisten VNs) sehr wenig Spiel, damit muss man klarkommen. Was ich allerdings befürchtet habe – nämlich dass es mir als jemandem, der gar keinen Horror mag, zu creepy wird – hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Durch die kurze Spielzeit und den Fakt, dass der Spielfortlauf auf Klicken basiert, hat man das Ganze sehr gut unter Kontrolle, ohne einen Herzkasper zu bekommen, auch wenn ich einige Male nur aus dem Augenwinkel auf den Bildschirm geguckt habe. Also, Klunkys spezielles Trauma mal ausgenommen.
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Ich empfand die ersten stunden als sehr zäh und finde, dass dokidoki einen zu langen "vorlauf" hat...
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Ich nehme das hier mal als Aufhänger, weil ich ich einerseits nachvollziehen kann, andererseits aber auch wahnsinnig interessant finde, wie das Spiel in der ersten Stunde oder so funktioniert. Ich habe ja eigentlich nach allem, was ich darüber gehört, damit gerechnet, dass das Spiel einem eine "ganz normale" Romance-VN-Situation vorgaukelt und sie später dekonstruiert. Ich muss aber sagen, das Spiel bringt verdammt schnell eine verdammt bedrückende Atmosphäre ein, sehr subtil. Ich kann sogar den exakten Punkt benennen, nämlich die erste Stelle, an der alle vier Mädchen eingeführt waren und angefangen haben, aufeinander einzugehen, also kurz vor dem ersten Gedicht, wahrscheinlich keine zwanzig Minuten im Spiel. MIT den Gedichten war dann aber eh Schluss, und Monika hat mir auch seeehr schnell Angst gemacht. ^^
Ich denke, der große Horror des Spiels liegt nicht auf der Metaebene oder so, sondern auf der Verzerrung der Genre-Konventionen:
1. Die Archetypen (Tsundere, Childhood Friend etc.) werden hier psychologisch einen Schritt weitergedacht bzw. mit Konventionen aus "ernsteren" Genres ausgestattet.
2. Wirklich schlimm ist aber, dass es Reaktionen und Konsequenzen gibt. Eigentlich erwartet man in so einem Harem-Ding, dass man mit allen Mädchen rummacht und am Ende eine Soft-Soft-Porno-Szene kriegt, ohne dass es die anderen groß stören würde; symptomatisch kann man das nehmen, was am Ende eines jeden Personas passiert, wenn man mehr als eine Beziehung am Laufen hat. xD In Doki Doki Literature Club reagieren die Charaktere nicht nur auf das, was man selbst tut, sondern auch aufeinander, man spürt sehr schnell eine zwischenmenschliche Spannung in der Luft, auch wenn sie im ersten Durchlauf noch gedämpft (etwa durch Auslassungen oder gedankliche Leerstellen in den Dialogen) und teilweise aggressiv eingedämmt wird (durch Monikas Leitung des Clubs). Spätestens beim zweiten Brief ist dann aber praktisch jede Entscheidung von diesem unterschwelligen Druck geprägt, weil man intuitiv spürt, dass es in diesem Spiel tatsächlich Konsequenzen geben wird. Und ja, dann ist so eine Harem-Situation natürlich nicht mehr ganz so geil, was einen sehr unangenehmen, weil realen Horror mit sich bringt – auch wenn die tatsächliche Auflösung natürlich reichlich über die Stränge schlägt.
Ganz ehrlich? Ich hätte das Spiel wahrscheinlich noch faszinierender gefunden, wenn es die Selbstmorde, Yuris übertriebenen Wahnsinn und die Metaebene herausgelassen hätte, wenn der Horror nur von dem Wissen "Scheiße, drei von vier Leuten wird es am Ende
verdammt schlecht gehen ..." gekommen wäre. Für mich hat tatsächlich auch das schon hervorragend funktioniert, bis zur Eskalation. Ich habe während der Romantik-Szenen mehr an die anderen Charaktere gedacht, und wie sehr sie das zerstören wird, was ich da gerade tue, um sie glücklich zu machen. ^_~
That being said ... ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Spiel anders gelesen hätte, wenn ich nicht gewusst hätte, dass noch mehr dahinter steckt.
(Dann hätte ich es aber auch nicht gespielt, aber so ist das nun mal. ^^)
Rein qualitativ unterstreiche ich auch noch mal die Glaubwürdigkeit der Charaktere und das Writing, das sehr gut mit Subtilität und Direktheit arbeitet. Auch die Gedichte fand ich sehr eingängig, und zwar alle verschiedenen Stile, so wie allgemein das Geplapper über Literatur.
Ganz unabhängig davon hat mir
Analogue: A Hate Story übrigens noch einen Tacken besser gefallen. Ist zwar auch ein anderes Spiel (weniger prägnant, dafür eigener, mit richtig World Building) aber ein bisschen daran erinnert mich hat DDLC irgendwo schon.
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Auf jeden Fall probs an Team Salvato dafür dass sie es wirklich geschafft haben, dieses Spiel nicht nur wie ein typisches, effekthascherisches, virales kurzweiliges, Trendprodukt erscheinen zu lassen, welches unbedingt auf diese "Meta"-Schiene aufspringen will.
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Fallen dir so überproportional viele Spiele ein, die das tun? Ich spiele ja nicht so wahnsinnig viel, aber von allem, was ich bspw. in meinen Podcasts höre, scheint die Spielelandschaft da echt gut wegzukommen. (Ich habe bisher auch nur eeeecht gute Vertreter gespielt, aber das ist auch kein Maßstab.)