Die Welt:
Auch wenn im Spiel "nur" Karadon Schauplatz des Geschehens ist, hat mich doch die gesamte Welt der Sternenkind Saga mehr beeindruckt als die von so manchem kommerziellen RPG. Man erfährt einfach so viel über die Welt & seine Länder, dass einem die größe der Welt die ihr geschaffen habt - obwohl nur Karadon der Schauplatz ist - stets bewusst und vor Augen ist. Obwohl ich Himathelonia, El Kash, Kerfrek & Trawonien nie im Spiel gesehen habe, so habe ich doch ihre Bewohner gesehen & erlebt und habe ein klares Bild der verschiedenen Völker bekommen. Ich finde das wurde - in anbetracht der Tatsache, dass es Zeitdruck gab - in der Form sehr gut Umgesetzt.
Das die Welt trotz dieser Schwierigkeiten in der Entwicklung so riesig wirkt, liegt zum anderen auch daran, dass man einfach an jeder Ecke mehr über Sie erfahren kann: Bücher, Inschriften, die Informationen durch die verschiedenen Talente, ausgiebige Dialoge. Das macht es einem als Spieler leicht komplett in die Welt einzutauchen und sich darin zu verlieren. Man bekommt so viele Informationen über alles mögliche: Die Geographie, die Menschen & ihre Lebensweise, Sagen & Legenden, Orte & Länder, Lieder & Gedichte, Vergangene Kriege, den aktuellen Krieg, Berühmte Personen und die karadonische Religion. Gerade dass letzteres so detailiert & ausgiebig in der Geschichte verflochten ist, trägt - Neben den Dialogen allgemein - maßgeblich zur Authenzität bei. Alleine die Schöpfungsgeschichte fande ich beim 1. Durchlauf richtig bombastisch. Es wurde beim Worldbuilding auf so vieles geachtet und so vieles richtig und besser gemacht als in anderen Spielen. Zusammen mit dem schönen Mapping, der perfekt passenden Musik & den wunderbaren Artworks entsteht eine Wahnsinnsatmosphäre, die einen regelrecht einsaugt in die Welt. Und ich gebe Rafael recht: Diese Welt bietet noch soooooo viel mehr Raum & Möglichkeiten für weitere Geschichten & Erzählungen...
Die Geschichte:
Für mich ist die Geschichte von Sternenkind Saga eine Geschichte über den Schrecken des Krieges, über die Gründe warum Menschen kämpfen und darüber, dass es immer Hoffnung gibt und man sich selbst mit seinem schlimmsten Feind versöhnen und verbünden kann. Es geht um Kameradschaft & Freundschaft, aber auch um Hass & Feindschaft. Natürlich geht es vordergründig um den Krieg gegen die Garzesh, die von den Gordimern manipuliert wurden und um Haaki's Werdegang, aber zwischen den Zeilen und am Rande des Weges passiert einfach so viel mehr. In der Story werden extrem vielfältige Themen behandelt: Krieg, Religion, Rassismus, Fanatismus, falscher Stolz, Liebe, Verlust, Kindeserziehung, Vergebung / Gnade, Angst, Rache, Streit unter Freunden, Frieden unter Feinden, Wahnsinn, Träume, Traumatische Erlebnisse, Volks- bzw. Nationalsport, alle Arten von Kunst & Handwerk, das Versagen von Politik & Politikern und noch viel mehr. Diese Vielfalt macht die Saga so einzigartig & schön.
Auch den Verlauf & die Inszenierung der Geschichte finde ich überragend. Alles entwickelt & erschließt sich äußerst langsam für den Spieler, aber trotzdem ist man von Anfang an mitten im Geschehen und hat durch das Sternzeichen, dem Talentsystem und der Entscheidungsfreiheit das Gefühl die Geschichte ein Stück weit selbst zu schreiben ( Was sich ja dann im Epilog tatsächlich als wahr erweist
) Desweiteren find ich den Erzählstil aus Haakis Perspektive mit seinen Monologen passend wie die karadonische Faust auf's Elfenauge.
Was mir noch sehr gefällt ist das Mysteriöse & Geheimnisvolle an der Story. Wenn man das Spiel zum 1. Mal spielt werden so verdammt viele Fragen aufgeworfen:
Warum greifen die Garzesh Bergenthorn an?
Wer und was sind Astarette und Thirlina?
Wer sind die Gestalten in Haaki's Träumen?
Wo ist der Ort von dem Haaki träumt?
Warum befindet sich dieser Ort auch in einem Krieg und mit wem?
Kann man Rabenkind vertrauen?
Diese Liste könnte ich noch ewig weiterführen, aber der Punkt ist, dass dieses "den Spieler ins Unbekannte werfen, aber gleichzeitig mit Informationen überschütten" sehr gut gelungen und Umgesetzt ist. Das Spiel weckt immer wieder neue Motivation dadurch, dass man seine Fragen beantwortet wissen will.
Bei keinem anderen Spiel - weder Makerspiel noch komerziellem Riesen - habe ich so lange damit verbracht nach dem Spielen über die Geschichte und das was sie vermittelt nachzudenken, zu interpretieren oder einfach im Kopf zu fantasieren. Ich liebe diese Geschichte.
Die Charaktere & Charakterentwicklung:
Ein weiterer Punkt in dem die Saga zu glänzen weiß.
Die Charaktere sind authentisch. Jeder Charakter hat seine ganz eigene Persönlichkeit. Keiner ist wie der Andere.
Selbst die scheinbar unwichtigsten NPCs haben eigene Hintergrundgeschichten, eigene Handlungsmotivationen, eigene Ideale & Überzeugungen. Von den Hauptcharakteren und den wichtigen NPCs ganz zu schweigen. Einfach wahnsinn. Das lässt die Welt unendlich lebendig & bewegt wirken. Durch die sozialen Talente & im Rahmen von Quests kann man sogar die Entscheidungen & Schicksale diverser NPCs beeinflussen. Das beeindruckt mich auch beim erneuten Durchspielen jedes mal und macht immer wieder Spaß. Auf ein Paar Charaktere möchte ich nochmal im einzelnen eingehen:
Haaki bekommt durch die verschiedenen Sternzeichen immer eine andere Persönlichkeit, aber er bleibt trotzdem immer "Haaki" ( Ich hoffe man versteht was ich meine )
Er ist immer der Anführer seiner Truppe, doch geht er diese Bürde bei jedem Sternzeichen etwas anders an. Das finde ich einfach nur Top gemacht.
Svenja ist ein extrem interessanter Charakter. Sie wirkt zu Anfang natürlich erstmal extrem unsympatisch, aufgrund ihrer "zickigen" und "herrischen" Art, aber im Verlauf der Story erfährt man dann warum sie so ist, wie ihr Vater mit ihr umgegangen ist und dass sie viel schreckliches erfahren und erlebt hat. Sie trifft auch an einigen Stellen des Spiels ziemlich irrationale & überstürtzte Entscheidungen. ( z.B. im Sumpf in diesem Tempel, als sie plötzlich Gorath befielt die Säule zu zerstören ) Das zeigt, wie überfordert sie mit diesem ganzen Krieg eigendlich ist und dass sie panische Angst hat ihre Leute oder ihr Land leiden & sterben zu sehen. Svenja ist extrem vielschichtig und im Grunde ihres Herzens ein sehr guter Mensch & Freund, aber ihre Erziehung und die Prinzipien, die sie dadurch erworben hat stehen ihr oft im Weg. Trotzdem ist sie nicht so stur oder stolz, dass sie keine Andere Meinung annehmen würde. Sie vertraut auf den Rat von Haaki und wenn man sie richtig kennenlernt und sich mit ihr befasst, ist sie auf einmal so gar nicht mehr unsympatisch, sondern eher das Gegenteil.
Gorath ist - was die Heldentruppe betrifft - mein absoluter Liebling. Er ist das Herz der Gruppe. Der warme Ruhepol, der sich selbst im Angesicht des Krieges fast immer optimistisch zeigt. Er hat sich von allen Charakteren am meisten "das innere Kind" bewahrt und lebt das auch ganz offen aus. Er ist naiv, unschuldig & kindlich, aber im gleichen Moment ist er auch ein Bollwerk, jemand der alles tun würde um den Ansturm gegen seine Freunde aufzuhalten. Gorath ist definitiv der sympatischste Charakter des Spiels. Er ist ein echter Kerl und seine klischeehaften, männlichen Vorlieben wie Orkball, Prügeleien, gutes Bier, harte Arbeit & deftiges Essen lassen ihn unglaublich authentisch und echt wirken.
Arson ist der mysteriöseste Charakter der Heldentruppe. Er trägt von Anfang an schreckliche Erinnerungen mit sich rum und ist stark traumatisiert von dem was er lerlebt hat.
Er ist das Gewissen der Gruppe. Derjenige, der erstmal in Ruhe die Situation beobachtet und keine voreiligen Aktionen startet. Zumindest denkt man das, bis er dann im Wolfsversteck von der Rache und der Wut übermannt wird. Er braucht lange Zeit des Mutsammelns, bis er seinen Freunden von seinen schrecklichen Geheimnissen berichtet & im Wolfsversteck bürdet er sich ein noch viel größeres Geheimnis auf. Ich finde das zeugt davon, wie stark Arson's Geist ist. Viele andere wären an solchen Erlebnissen kaputt gegangen, aber nicht Arson. Er steht tapfer seinen Mann und schafft es immer wieder neuen Mut zu schöpfen, egal wie sehr er von der Dunkelheit umringt ist. Von Arson kann man echt viel für's echte Leben lernen.
Ich könnte jetzt noch ewig so weitermachen mit sämtlichen Charakteren, aber das verschieb ich auf ein andern Mal.
Die Dialoge & Art der Sprache:
Dieser Punkt hat mich an der Sternenkind Saga wohl am meisten beeindruckt.
Ich kann natürlich auch gut verstehen, dass manchen diese Art der Dialoge & der Sprache nicht gefallen. Die Sprache ist blumig, ausgeschmückt & ausufernd.
Aber genau das macht die Saga so unglaubllich authenitisch. Es ist eine eigene Welt, ein eigenes Volk, da braucht es auch eine eigene Sprache. Obwohl die Dialoge im gesamten Spiel auf "alt" gemacht sind, hat doch jeder Charakter irgendwie seine ganz eigene Art zu sprechen und sich auszudrücken. Und diese Art sich auszudrücken passt einfach bei jedem Charakter perfekt ins Bild, dass man von ihm bekommt. Kaylar motzt rum, Arson redet düster und voller Schmerz und Ethelried so, wie es sich für Barden & Skalden gehört. Ragnar will am liebsten alles gleich abschlachten und Asa hat selbst mit den Wölfen Mitleid.
Quests:
Ich liebe die Quests. Keine Quest wirkt wie ein Lückenfüller und alle tragen ihren Teil zur Geschichte und zum Worldbuilding bei. Sie sind abwechslungsreich und vermitteln wichtige Informationen, durch die man die Story wieder viel besser versteht. Selbst wenn eine Quest nichts mit dem Krieg oder den Wölfen zu tun hat, so baut sie dennoch auf die Welt auf und lässt diese lebendiger wirken. Das tollste an den Quests ist aber, dass man bei fast jeder Quest Auswahlmöglichkeiten hat, die die Geschichte maßgeblich beinflussen und den Epilog verändern.
Gameplay / Systeme:
Für mich ist die Saga nicht wirklich ein Spiel, sondern eher ein interaktives Buch.
Die vielen verschiedenen Systeme laden wirklich zum rollenspielen ein und man kann sehr viel selbst entscheiden. Das vermittelt den Eindruck die Geschichte selbst zu schreiben.
Ich kann selbst entscheiden, ob Tuerran stirbt. Es liegt in meiner Hand, dass die Schlacht am Ende einen guten Ausgang bekommt. Ich kann gut oder böse sein, Hilfsbereit oder rachsüchtig. Voller Gnade oder hart wie zwergischer Stahl. Ich kann mir aussuchen ob ein Charakter eher gut austeilen, oder lieber flink sein soll. Diese Freiheit - obwohl es kein "Open World" spiel ist - ist einfach nur fabelhaft.