Wenn ich so aus dem Fenster in den grauen und 8° kalten Nieselregen schaue, mit aufgedrehter Heizung und heißem Tee neben der Tastatur komme ich nicht umhin, mich hier wegzuwünschen - irgendwo hin, wo es warm ist, wo die Leute freundlich sind (sind sie hier zwar auch, dafür wollen sie immer was von mir), wo ich machen kann was ich will und die Freiheit hab, jederzeit meine Sachen zu packen und mir ein anderes Ziel zu suchen. Ich glaub, im Volksmund heißt dieses Gefühl "Fernweh" und ist eher unspezifisch, gar nicht so sehr auf eine bestimmte Region oder ein Land bezogen, sondern ist einfach der Wunsch, das Leben so, wie es sich aktuell präsentiert, hinter sich lassen zu können.
Habt Ihr auch solche Wünsche? Ständig oder nur ab und zu, wenn zum Beispiel Ende Mai wettermäßig schon wieder November zu sein scheint, oder wenn andere von ihrem Traumurlaub erzählen, oder wenn die Plakate im Reisebüro zum Kurzurlaub verlocken wollen oder oder oder... Habt Ihr ein Traumreiseziel, vielleicht sogar ein Land, von dem Ihr Euch vorstellen könntet, dort dauerhaft zu leben, oder ist das nur die eher diffuse "Sehnsucht nach der Ferne"?
Und nochwas kleines zum Thema (kennt hier noch jemand Frederick und Piggledy aus dem Sandmännchen?)
Was ist Fernweh?
Piggeldy wollte wissen, was Fernweh ist.
"Frederick", fragte Piggeldy seinen großen Bruder, "Frederick, was ist Fernweh?"
"Nichts leichter als das", antwortete Frederick, "komm mit."
Piggeldy folgte Frederick.
Sie liefen auf dem Heckenweg zwischen den Dörfern und es duftete und summte um sie herum wie in alten Zeiten.
"Fernweh ist", sagte Frederick, "Fernweh ist, wenn man morgens aufwacht und das Fenster aufmacht..."
"Wir haben aber gar kein Fenster", sagte Piggeldy.
"Plapper nicht dazwischen!" sagte Frederick.
"Fernweh ist, wenn man morgens aufwacht und das Fenster aufmacht und weit hinaus auf die Berge schaut..."
"Hier gibt es aber keine Berge", sagte Piggeldy.
"Quatsch nicht dazwischen!", sagte Frederick. "Fernweh ist, wenn man morgens aufwacht und das Fenster aufmacht und weit hinaus auf die Berge schaut, sich dann den Schlafanzug abstreift..."
"Seit wann", fragte Piggeldy, "seit wann trägst Du einen Schlafanzug?"
"Unterbrich mich nicht immer!", schimpfte Frederick, "sonst verliere ich meinen roten Faden."
"Macht nichts", sagte Piggeldy, "ich helf Dir suchen."
Sie liefen weiter auf dem Heckenweg und die Wildrosen blühten so rosa wie schon lange nicht mehr.
"Fernweh ist, wenn man morgens aufwacht und das Fenster aufmacht und weit hinaus auf die Berge schaut, sich den Schlafanzug abstreift und auf einmal alle Sorgen vergessen sind und man davonfliegen möchte so leicht wie eine Feder, bis ans Ende der Welt."
Piggeldy sah Frederick nach diesen Worten zärtlich an.
"So schön," sagte er, "so schön kann nur mein lieber Bruder Frederick das Fernweh beschreiben."
"Nur eins sag mir noch: Wo ist das Ende der Welt?"
"Mein lieber Piggeldy", sagte Frederick, "wo das Ende der Welt ist, weiss kein Schwein."
Und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause.