Jene Nachricht lag vor gut drei Wochen in unserem Briefkasten. Für alle, die nicht im Stande waren, den Namen dieses Threads zu entziffern, noch einmal Klartext, es geht um die Musterung, oder um genau zu sein um die Musterung meiner bemitleidenswerten Person. Mal ganz abgesehen von dem peinlichen Rechtschreibfehler in entsprechendem Dokument (Ja, n und m sind schon eine komplizierte AngelegenheitZitat
) und der Tatsache, dass ich mit Nachnamen natürlich NICHT Bla heiße, rief der Bescheid eine ordentlich zwiespältige Stimmung hervor. Außer dem üblichen Versuch, das ein oder andere Schmunzeln zu verursachen, geht es hier auch darum, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen, also mal los.
Die Hiobsbotschaft war jedenfalls da, was ja aber auch nicht anders zu erwarten war. Ein genaueres Durchsehen der Unterlagen brachte hervor, dass man eine kurze Schwimm/Turnhose, einen Personalausweis, Badelatschen und ein 2-Euro Stück mitbringen sollte. In Ordnung, der Personalausweis ist vollkommen verständlich, und entgegen der Annahme meiner Mutter, man müsse sein schwimmerisches Können präsentieren, waren die anderen Utensilien auch nur da, damit sich die sensiblen Soldaten im ärztlichen Bereich nicht den Hinter abfrieren. Was mich allerdings stutzen ließ, war das 2-Euro Stück. Die Gedanken überschlugen sich, von einer „Zwangsmahlzeit“ bis hin zu einem seltsamen Test, für den man unverständlicherweise genau ein eigenes 2-Euro Stück benötigte war wohl alles dabei, aber ich kam beim besten Willen nicht darauf, wie mir jenes Startkapitel bei meiner militärischen Laufbahn helfen sollte. Leider war die Auflösung des Ganzen wesentlich unspektakulärer als man vielleicht denken würde, es ging einfach um den Spint, um die Sachen einzuschließen. Toll, jetzt muss selbst die Armee schon auf minderwertige Ware zurückgreifen. Ich wette, irgendwann wurden einem Gemusterten mal die Klamotten geklaut, und seitdem werden wir alle genötigt, 2-Euro Stücke mitzubringen. Ungerechte Welt.
Sollte die Armee in den letzten Jahren tatsächlich weniger Gymnasiasten eingezogen haben, wie man hier und da gemunkelt hatte, dann habe ich leider nichts davon mitgekriegt, der einzige Hinweis auf die durchschnittliche Intelligenz der Wehrpflichtigen war eventuell die Tatsache, dass im Warteraum ein Fernseher mit VIVA lief, mal ganz abgesehen von den Propagandaheftchen auf den Fensterbänken. Bemerkenswert: Auf zwei von drei Prospekten waren vorne mehr Frauen als Männer in Tarnkleidung abgedruckt, was rein psychologisch sicher ein intelligenter Schachzug ist, aber man kommt ernsthaft ins Überlegen, WIE dumm man eigentlich sein muss, um an solche „Versprechungen“ zu glauben. Scheinbar wirkt’s aber doch irgendwie, das dämliche Grinsen des einzigen männlichen Subjektes auf der Luftwaffe-Broschüre war jedenfalls überaus gestellt.
Sechs Uhr dreißig war nicht gerade ein später Termin, wenn für mich als Frühaufsteher auch kein Problem, und so kam es, dass ich auch der erste dort war. Schon nach schätzungsweise 5 Minuten und nicht den angepriesenen drei Stunden schall mein Name durch den Warteraum und ich wappnete mich psychisch für das Bevorstehende. Interessanterweise sei mal erwähnt, dass die Gemusterten die einzigen Kerle in dem Gebäude waren, sonst hat die Bundeswehr nur Frauen angestellt. Taktik? Wer weiß.
„Guten Tag. BlaBlaBla Regeln BlaBlaBla Ablauf BlaBlaBla Wie möchten sie ihren Wehrdienst gerne ableisten, an einem Stück oder in drei Teilen?“
Das war so das erste Stück, wo meine Planung ein wenig auf die Probe gestellt wurde.
„Eigentlich wollte ich verweigern.“, war die unsichere Antwort, nicht unsicher, weil ich mir nicht sicher war, sondern unsicher, weil ich die Frage eigentlich erst nach der Musterung erwartet hatte.
„In Ordnung, dann können wir uns den psychischen Test ja sparen.“
…
T_T’’
…
Das war fatal. Eigentlich hatte ich nämlich gelogen. Ich wollte nicht verweigern, ich wollte ausgemustert werden, und dieser Unterschied ist erheblich. Für alle, denen das nicht so bekannt ist, wenn man als unfähig anerkannt wird, muss man keinen Wehrdienst machen. Wenn man allerdings als fähig anerkannt macht, und trotzdem keinen Wehrdienst machen will, gibt’s 9 Monate Wehrersatzdienst, auf gut Deutsch also Zivilarbeit, mit Alten oder Jugendlichen, und allem, wo die Gesellschaft sonst gern versagt.
Na ja, nun fiel also der psychische Test weg, was meine Planung völlig über den Haufen warf. Schauspielern kann ich nämlich eigentlich, und so wären da sicher noch ein paar gute Argumente raus gesprungen, mich für nicht wehrdienstfähig zu erklären, wer will beispielsweise einen Schwulen in seiner Kaserne?
Die Möglichkeit war also hinüber, und so kam dann als nächstes der ärztliche Bereich.
„Wie groß sind sie? Wieviel wiegen sie?“
„Keine Ahnung, hab mich das letzte mal für meinen Ausweis gemessen.“
„Kein Problem, Herr Bla, stellen sie sich dort hin. Oh! Genau 1,80m, das ist genau die Richtlinie. Jetzt bitte auf die Waage“
T_T Ich will verdammt noch mal ausgemustert werden und nicht in die verdammten Richtlinien passen! T_T
Also stellte ich mich auf die Waage. Was dann geschah, war wohl ein Schlag mit dem Zaunpfosten, seitens des Schicksals. Ich habe ihn nicht bemerkt. Mein Vater meinte später nur: „Tja, so eine Gelegenheit gibt’s nur ein paar Mal im Leben, und du hast’s versaut.“ Toll. Die Frau von der Musterung schaute auf die Waage.
„52 Kilogramm“
…
Ich wusste, dass ich nicht 52 Kilogramm wiege, aber ich war auch nicht geistesanwesend genug, um darauf zu reagieren.
„Moment, das stimmt sicher nicht. Könnten sie noch mal drauf?“
Man lasse sich mal durch den Kopf gehen, was hier ein einfacher Kommentar a la „ich habe einfach leichte Knochen“ ausrichten hätte können, aber NEIN. Ich musste unbedingt noch mal auf die verdammte Wiege.
„75! Das ist schon viel realistischer, und es entspricht wieder exakt den Richtlinien!“
Kein Kommentar an jener Stelle. T_T
Dann musste ich wirklich in einen Becher pinkeln, um dieses Gerücht ganz detaillos zu bestätigen, und schon ging es weiter. Kinderkrankheiten hatte ich alle schon, was schlecht fürs Ausmustern ist, denn das bedeutet, dass ich in Afghanistan nicht die ganze Gruppe mit Mumps anstecken kann. Ernsthafte Krankheiten dagegen noch nie.
Dann kam nach der Waage der zweite große Fehler, für den ich mich im Nachhinein in den Hintern treten könnte.
„Nehmen sie irgendwelche Drogen?“
„Ja, Kokain, Heroin und diese lustigen bunten Pilze. Außerdem besauf ich mich natürlich jedes Wochenende und rauche drei Schachteln am Tag, seit ich 6 bin. Davor war es nur eine.“
So oder so ähnlich hätte vielleicht die Antwort lauten müssen. Stattdessen argumentiert Herr Bla wahrheitsgemäß mit „Nein, gar nichts.“
Ziemlich dumm, aber na ja, man lügt halt nicht gern.
Weiter ging es mit den Allergien, die mein Hoffnungsschimmer am Horizont waren.
- Extreme Allergie gegen Hausstaubmilben, effektiv also gegen Staub
- starke Allergie gegen Gräser und Katzenhaare
- Heuschnupfen
Das konnte eigentlich nur was werden. Man konnte nicht einfach jemanden so in die Armee stopfen, wenn ich länger als eine Minute im Staub liege, fang ich schließlich an, meine Kameraden vollzurotzen und erblinde danach langsam.
„Kein Problem, Herr Bla. So schlimm ist das nicht.“
Metaphorischer Schlag ins Gesicht. Wahrscheinlich hätte ich mir vor der Musterung eine tote Katze unter die Nase reiben müssen und mit blutroten Augen und einer Legion von Taschentüchern in den Raum stolpern sollen.
Letztendlich war noch die Leibesvisitation, wo die urbanen Mythen ja Purzelbäume schlagen.
NEIN, niemand fasst einem in den Hintern. >_<’’
Ja, um es professionell auszudrücken, die Betastung der Sekundärgeschlechtsteile ist real, auf gut Deutsch der „Eierkontrollgriff“ existiert.Man muss aber hinzufügen, um die Fantasien einiger spätpubertärer Kiddies zu zähmen, es war eine alte hässliche Frau. Und es wird in den seltensten Fällen anders sein.
„Herr Bla, sie haben eine körperliche Störung.“
Was? Ein Stück Holz tauchte gerade im Ozean auf. Vielleicht war es auch ein Rettungsboot.
„Ihr rechtes Ohr sitzt ein Stück zu hoch.“
Wieso ist mir das noch nie eingefallen, dann hätte ich doch gleich einen Behindertenschein gehabt! =_=
„Werde ich deshalb ausgemustert?“
„Aber nein!“, lacht die alte Frau, als würde sie mir einen Gefallen tun, „Die paar Millimeter stören nicht mal den Helm.“
…
T_T
Das war’s also.
Man kann gemustert werden zwischen T1 (Tauglich 1) bis T4 (Ausgemustert). T1 heißt (Zitat) „voll verwendungsfähig“.
Ich habe jetzt den Kriegsdienst verweigert und muss noch eine Begründung schreiben. Wenn die Verweigerung allerdings nicht angenommen wird, habe ich das Trostpflaster, bei der Bundeswehr wirklich JEDEN Scheiß machen zu dürfen.
Dankeschön, Vaterland.